Texas: Blutbad von Fort Hood:Verloren zwischen den Welten

Auf dem US-Militärstützpunkt hat Amokläufer Hasan 13 Menschen getötet. Sein Psychogramm lässt viele fragen, warum niemand die Signale der Überforderung beachtet hat.

Reymer Klüver

Unter seinem Namen wurden auf einer Islamisten-Website im Internet Selbstmordattentäter verherrlicht, und das FBI hat ermittelt. Er trug offenkundig mit Stolz die Uniform seines Landes und war doch gegen die Kriege Amerikas im Irak. Als Psychiater sollte er traumatisierte Opfer dieser Kriege behandeln, aber seine Kollegen schickten Patienten nicht gern zu ihm.

Texas: Blutbad von Fort Hood: Das Militärlager von Fort Hood steht seit der Tat unter Schock. Soldaten versuchen, sich gegenseitig zu trösten und Hilfe zu geben.

Das Militärlager von Fort Hood steht seit der Tat unter Schock. Soldaten versuchen, sich gegenseitig zu trösten und Hilfe zu geben.

(Foto: Foto: AFP)

Ein praktizierender Muslim war er, seinem Arbeitgeber, der US-Armee, hat er davon allerdings nie etwas gesagt. Und er war ein Einzelgänger, oft schroff im Umgang und ohne Freunde und vergeblich auf der Suche nach einer Frau.

Noch fügen sich die einzelnen Teile nicht zu einem vollständigen Puzzle zusammen. Zu viele Leerstellen gibt es, die offen lassen, was Major Nidal Malik Hasan am Ende zum Massenmörder hat werden lassen. Doch das Bild eines innerlich zerrissenen Mannes zeichnet sich ab, der anderen helfen sollte und offenkundig selbst Hilfe hätte gebrauchen können.

Und am Morgen nach der Bluttat werden erste Fragen laut, ob nicht eindeutige Warnzeichen übersehen wurden. Ob nicht seine Kollegen und Vorgesetzten, ob nicht die Ermittler beim FBI hätten erkennen müssen, was sich da im Kopf eines einsamen Mannes zusammenbraute.

Am Donnerstagmittag amerikanischer Zeit war der 39-jährige Hasan in seiner Offiziersuniform mit zwei Pistolen bewaffnet in eine medizinische Aufnahmestation in Fort Hood gestürmt, einer gewaltigen Armeegarnison in Texas. Rückkehrer aus dem Irak und aus Afghanistan wurden dort gerade registriert und auch diejenigen, die bald ausrücken sollten in den Krieg. 43 Menschen streckte Hasan nieder, 13 von ihnen starben, ehe er selbst, von Kugeln getroffen, zusammensackte. Offenbar ist er nicht lebensgefährlich verletzt, verweigert aber jede Aussage.

Im Video: Bei einer Schießerei auf dem US-Armeestützpunkt Fort Hood sind zwölf Menschen getötet und 31 verletzt worden.

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Am alarmierendsten dürfte ohne Zweifel ein Eintrag auf der radikalen Website Scribd unter Hasans Namen sein. Darin werden Selbstmordattentäter todesmutigen Soldaten gleichgesetzt, die sich auf Handgranaten werfen. So wie der Soldat Kameraden schütze, rette ein Selbstmordattentäter andere Muslime: "Wenn ein Selbstmordattentäter hundert feindliche Soldaten töten kann, muss das als ein strategischer Sieg betrachtet werden."

Dem FBI war der Eintrag vor etwa einem halben Jahr aufgefallen. Ein offizielles Ermittlungsverfahren gegen den Major wurde aber nie eingeleitet. Noch am Donnerstag beeilten sich FBI-Ermittler indes, das Versäumnis nachzuholen. Sie erwirkten Durchsuchungsbefehle, um Hasans Computer auswerten zu können. So wollen sie sich Klarheit darüber verschaffen, ob Hasan die Kommentare selbst auf die Website gestellt hat oder nur sein Name benutzt wurde. Auch seine ehemaligen Nachbarn in Kensington, einem Washingtoner Vorort, haben FBI-Agenten noch am Donnerstag als Zeugen verhört.

Tatsächlich hat der Major keinen Hehl daraus gemacht, dass er gegen die Kriege der US-Armee in den muslimischen Ländern Irak und Afghanistan ist. "Wir hätten da nie hingehen sollen", habe ihm Hasan klipp und klar erklärt, sagte ein früherer Kollege, ein Oberst namens Tommy Lee, dem Kabelsender Fox News. "Die Muslime sollten sich wehren und den Aggressor bekämpfen", sei das Credo seines Kollegen gewesen. Hasan habe gehofft, dass Präsident Barack Obama sofort die US-Truppen von beiden Kriegsschauplätzen abziehen würde. "Als sich jedoch die Dinge nicht so entwickelten, regte er sich immer mehr auf."

Von der High School zur Armee

Nach Aussagen von Verwandten, die in US-Medien ausführlich zitiert werden, hatte Hasan sich gegen eine mögliche Entsendung nach Afghanistan oder in den Irak zu wehren versucht. "Er tat alles, was in seiner Macht stand, um das zu verhindern", sagt sein Cousin Nader Hasan.

Bereits vor einigen Jahren hatte Hasan einen Anwalt konsultiert, um seine vorzeitige Entlassung aus der Armee zu betreiben. Als Grund nannte er Belästigungen durch Kameraden, die ihn nach den Anschlägen vom 11. September 2001 als Muslim beschimpft hätten.

Offenbar hatte Hasan sein Vorhaben aber aufgegeben, nachdem der Anwalt den Versuch als aussichtslos bezeichnet hatte. Die US-Senatorin für Texas, Kay Hutchinson, behauptete am Donnerstag, Hasans Entsendung an einen der Kriegsschauplätze habe unmittelbar bevorgestanden. Dies wurde allerdings offiziell nicht bestätigt.

Der Sohn palästinensischer Einwanderer hat sein gesamtes Berufsleben beim Militär zugebracht. Hasan hatte sich direkt nach der High School bei der Armee verpflichtet, die daraufhin seine Ausbildung finanzierte. 1997 machte er zunächst einen Abschluss als Biochemiker an der Virginia Tech University und promovierte danach als Doktor der Psychiatrie an der Medizinischen Hochschule der US-Streitkräfte in Bethesda bei Washington.

Von 2003 bis zum vergangenen Sommer war er im Walter-Reed-Hospital in Washington tätig. Das ist das Militärkrankenhaus, in dem die Schwerverwundeten aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan behandelt werden, vor allem die Opfer von Bombenattentaten mit oft schweren Brandwunden, Kopfverletzungen und amputierten Gliedmaßen.

Ehe er im Sommer nach Fort Hood in Texas versetzt wurde, war er an der Medizinischen Hochschule in Bethesda mit Forschungen zu den psychologischen Folgen der Kriegseinsätze für Soldaten beschäftigt.

Im Walter-Reed-Krankenhaus war Hasan als ein Verbindungsmann zwischen den Verwundeten und der Psychiatrie des Hospitals eingesetzt. Nach Aussagen eines Mitarbeiters dort schickten aber Hasans Kollegen ihm nur ungern Patienten. Seine Umgangsformen galten als gewöhnungsbedürftig. Nach Auskunft des Ausbildungsleiters der Klinik, Thomas Grieger, habe Hasan "Schwierigkeiten" gehabt und selbst Beratung in Anspruch genommen.

Seine Tante Noel Hasan wird in der Washington Post mit dem Hinweis zitiert, dass ihr Neffe die Erlebnisse in dem Krankenhaus wohl nicht habe verarbeiten können. Einmal habe Hasan ihr von einem Soldaten berichtet, dessen Gesicht durch Brandverletzungen "fast geschmolzen" sei. Das habe ihn sehr beschäftigt.

Ihr Neffe habe nie viele Freunde gehabt, noch schwerer habe er sich getan, eine Frau zu finden. "Uns hat er immer erzählt, das Militär sei sein Leben", sagte Noel Hasan. Tatsächlich fiel es ihm offenbar schwer, Kontakt zum anderen Geschlecht zu finden - wohl auch aus religiösen Gründen. Im Walter-Reed-Hospital lehnte er es stets ab, sich mit Kolleginnen gemeinsam fotografieren zu lassen.

In den offiziellen Papieren der Armee wird Hasan als religionslos geführt. Auch dafür sind die Gründe nicht bekannt. Es könnte allerdings damit zusammenhängen, dass Hasan erst in den letzten Jahren zum Glauben fand, nachdem seine Eltern im Abstand weniger Jahre 1998 und 2001 relativ jung gestorben waren. Er hatte sich übrigens gegen den Willen seiner Eltern zur Armee verpflichtet.

Als gläubiger Muslim betete er in den letzten Jahren regelmäßig in der Muslimischen Gemeinde von Silver Spring, nicht weit entfernt von seiner Arbeitsstelle in der US-Hauptstadt. Dort fiel er auf, weil er oft in Uniform kam.

Nach Auskunft von Faizul Khan, einem ehemaligen Imam an der Moschee, hat sich Hasan in der Gemeinde auch nach einer Ehefrau umgetan. "Ich glaube aber, dass er nie jemanden gefunden hat", erinnert sich Khan, "er stellte so viele Bedingungen. Er wollte eine sehr religiöse Frau, die fünfmal am Tag betete."

Hasan sei auch in der Moschee sehr zurückhaltend aufgetreten. "Ich könnte nicht sagen, dass irgendjemand ihn gut kannte." Hasan selbst schrieb in der Annonce einer muslimischen Heiratsvermittlung über sich: "Ich bin still und zurückhaltend, bis ich jemanden besser kenne." Dann aber, fügte er hinzu, sei er ganz anders: "Lustig, liebevoll und umgänglich." Offenbar haben ihn so nicht viele Menschen erlebt.

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