Terror in Toulouse:Verhandlungen mit mutmaßlichem Täter dauern an - weitere Morde vereitelt

Seit den frühen Morgenstunden haben Spezialeinheiten der französischen Polizei ein Wohnhaus in Toulouse umzingelt. Darin hält sich der mutmaßliche Mörder von drei Soldaten, drei jüdischen Kindern und deren Lehrer verschanzt. Während die Beamten mit dem Mann verhandeln, der Beziehungen zu al-Qaida haben soll, gesteht dieser, weitere Taten geplant zu haben.

Seit den frühen Stunden des Mittwochmorgen belagern Spezialeinheiten der französischen Polizei ein Wohnhaus in Toulouse. Darin hält sich Mohammed M. verschanzt, der Mann, der mutmaßlich für den Tod von drei Soldaten, drei jüdischen Schülern und deren Lehrer verantwortlich ist. In Verhandlungen mit der Eliteeinheit RAID hat der Verdächtige angekündigt, sich in der Nacht ergeben zu wollen.

"Er sagte, er wolle aufgeben, aber er wolle es in der Nacht tun, weil das weniger Aufmerksamkeit erregt", sagte Frankreichs Innenminister Claude Guéant. Die Polizei sei angewiesen worden, den Verdächtigen lebend zu fassen, "um ihn vor Gericht zu stellen, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird".

Der 23-jährige Mann, der angibt, dem islamistischen Terrornetzwerk al-Qaida nahezustehen, hatte bereits am Mittwochmorgen angekündigt, sich bald ergeben zu wollen, sich bislang aber nicht an seine Zusage gehalten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft steht er noch immer in Verhandlungen mit den Einsatzkräften.

Der Mann habe gesagt, "dass er keine Märtyrer-Seele hat, er zieht es vor zu töten und selbst am Leben zu bleiben", sagte der Staatsanwalt von Paris, François Molins, am Mittwoch in der südfranzösischen Stadt.

Der französischen Polizei gelang es durch die Aktion, weitere Taten des Mannes zu verhindern. Laut Molins gestand er, am Mittwoch einen Anschlag gegen einen weiteren Soldaten geplant zu haben. Zudem habe er zwei Polizisten erschießen wollen, sagte der Staatsanwalt auf einer Pressekonferenz am Nachmittag. M. habe im Gespräch mit Polizisten bedauert, bisher nicht noch mehr Menschen getötet zu haben. Er habe sich gerühmt, Frankreich in die Knie gezwungen zu haben, sagte Molins.

Dabei ist der mutmaßliche Attentäter für die französischen Behörden kein Unbekannter: Der französische Geheimdienst beobachtete den Mann, der einer salafistischen Gruppe in Toulouse angehörte und sich bereits in Afghanistan und Pakistan aufgehalten hat, schon seit Jahren. Doch deutete nach Angaben des Innenministers Claude Guéant nichts darauf hin, dass der 23-Jährige einen Anschlag plane. Der Mann war bereits einmal in der südafghanischen Stadt Kandahar verhaftet worden, doch laut Staatsanwaltschaft schickte ihn die US-Armee zurück nach Frankreich.

Die Elitepolizisten hatten am Mittwoch mehrere Male vergeblich versucht, in die Wohnung des Verdächtigen einzudringen, in der er sich verschanzt hat. Doch jedesmal wurden die Polizisten mit Schüssen aus schweren Waffen zurückgedrängt. Ein Beamter hat dabei einen Knieschuss erlitten, einen zweiten Polizisten bewahrte seine schusssichere Weste vor schweren Verletzungen.

Unklar war am Nachmittag, ob der verschanzte Täter auch über Sprengstoff verfügt. Der Mann habe "ein Kommunikationsmittel" verlangt und "dies gegen einen Colt 45 ausgetauscht, den er aus dem Fenster geworfen hat", sagte Guéant. Der Verdächtige habe aber versichert, er habe noch eine Kalaschnikow, eine Uzi-Maschinenpistole und außerdem mehrere Faustfeuerwaffen.

"Rächer der palästinensischen Kinder"

In Verhandlungen, die ihn zur Aufgabe bewegen sollten, habe M. viel über sein Engagement für den Dschihad (heiligen Krieg, Anm. d. Red.) und al-Qaida gesprochen, zitierte das Nachrichtenportal France Info Innenminister Claude Guéant. "Er ist den Salafisten und Dschihadisten verbunden." Er habe "die palästinensischen Kinder rächen" und ein Zeichen gegen der Einsatz der französischen Armee in Afghanistan setzen wollen. Der 23-Jährige sei bereits nach dem ersten Mord an einem Soldaten ins Visier der Fahnder geraten, sagte Guéant.

Der Innenminister ist gemeinsam mit Molins und dem Chef der Pariser Antiterroreinheit vor Ort. Letzterer sagte dem Nachrichtenportal France Info, es hätten am Mittwochmorgen "zeitgleich mehrere Operationen im Großraum Tolouse" stattgefunden. Der Bruder des mutmaßlichen Todesschützen, der ebenfalls unter Verdacht steht, konnte im Rahmen der konzertierten Polizeiaktionen bereits festgenommen werden. Wie Mohammed M. soll auch sein Bruder Mitglied einer islamistischen Gruppe in Toulouse sein. Im seinem Auto fanden Ermittler laut AFP Sprengstoff.

Neben dem Bruder befinden sich auch dessen Freundin und Mutter in Gewahrsam. Die Polizei hatte die Mutter zwischenzeitlich an den Einsatzort in der Rue du Sergent Vigné gebracht, in der Hoffnung, sie könne ihren Sohn zum Aufgeben bewegen. Sie habe aber nicht mit ihrem Sohn sprechen wollen und dies damit begründet, dass sie kaum Einfluss auf ihn habe, sagte Innenminister Claude Guéant. Der Kontakt zwischen den Sicherheitsbehörden und dem Verdächtigen war zwischenzeitlich abgebrochen.

Der mutmaßliche Serien-Attentäter hatte am 11. März zum ersten Mal zugeschlagen: In Toulouse erschoss er auf offener Straße einen Fallschirmjäger in Zivil. Wenige Tage später tötete er im Städtchen Montauban, 50 Kilometer nördlich von Toulouse, zwei weitere Fallschirmjäger. Am Montag brachte er vor einer jüdischen Schule in Toulouse drei Kinder und einen Lehrer um. Der Mann entkam nach seinen Angriffen, die er am helllichten Tage verübte, stets mit einem Motorroller. Der Roller und ein Mail-Wechsel mit seinem ersten Opfer brachten die Polizei schließlich auf seine Spur.

Sein erstes Opfer kontaktierte der mutmaßliche Mörder demnach über eine Verkaufs-Plattform im Internet, wo der Soldat sein Motorrad zum Verkauf anbot. Per Mail wurde ein Treffpunkt vereinbart. Die von Polizisten identifizierte IP-Adresse konnte den Angaben zufolge einem Computer zugeordnet werden, der der Mutter des Verdächtigen gehört.

Beamte mit schusssicheren Westen und Helmen riegeln das Viertel im Osten der Stadt seit dem Morgen weiträumig ab. Sanitätsfahrzeuge sind vor Ort. In dem fünfstöckigen Wohnhaus befanden sich noch Bewohner, als der Einsatz begann - sie wurden mittlerweile jedoch in Sicherheit gebracht.

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