Terror in Toulouse:Explosionen vor dem Haus des mutmaßlichen Attentäters

Verwirrung in Toulouse: Gegen 23.35 Uhr sind in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses, in dem sich der mutmaßliche Terrorschütze verschanzt hält, drei Detonationen zu hören. Ein Beamter und der Bürgermeister von Toulouse melden, die Erstürmung des Verstecks habe begonnen. Ermittlerkreise sprechen davon, lediglich "den Druck auf den Verdächtigen" erhöhen zu wollen.

Drei heftige Detonationen erschütterten am Mittwochabend gegen 23:35 die Umgebung des Hauses, in dem sich der mutmaßliche Attentäter von Toulouse verschanzt hält. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten von Explosionen und Lichtblitzen in unmittelbarer Nähe des Gebäudes.

Den Detonationen folgten Meldungen über die Stürmung des Verstecks des Verdächtigen Mohammed M. durch ein Sondereinsatzkommando. Ein Mitarbeiter der französischen Polizei und der Bürgermeister von Toulouse bestätigten die Gerüchte zunächst. Es hieß, die Tür zur Wohnung des 23-Jährigen sei aufgesprengt worden.

In Ermittlerkreisen wollte man jedoch nicht von einer Erstürmung sprechen: "Er (der mutmaßliche Serienattentäter) hat gesagt, dass er sich stellen will, er hat seine Meinung geändert, wir erhöhen den Druck, damit er aufgibt", hieß es. Auch das französische Innenministerium dementierte, dass ein Sturm auf die Wohnung stattgefunden habe. Es habe zwar Explosionen in dem Wohnhaus gegeben, diese seien aber dazu gedacht gewesen, den Verdächtigen einzuschüchtern.

Grund für die Zurückhaltung des französischen Spezialkommandos könnte die Anweisung sein, den mutmaßlichen Terrorschützen lebend zu ergreifen. "Wir wollen ihn lebend gefangen nehmen, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Wir wollen seine Beweggründe erfahren und hoffentlich herausbekommen, wer seine Komplizen sind, falls es welche gibt", sagte Verteidigungsminister Gerard Longuet am Mittwochabend dem TV-Sender TF1.

Auch die schwere Bewaffnung Mohammed M.'s spielt eine wichtige Rolle. Der 23-Jährige hält sich seit mehr als 20 Stunden in dem Haus verschanzt. Eine Waffe hatte er am Nachmittag aus dem Fenster geworfen und dafür ein Mobiltelefon erhalten, um sich mit der Polizei verständigen zu können. Dennoch hat er nach eigenen Angaben noch eine Kalaschnikow, eine Uzi und mehrere andere Waffen bei sich.

Der Mann hat sich laut Staatsanwaltschaft bereits zu den drei Angriffen bekannt, bei denen in den vergangenen Tagen in Toulouse und Montauban drei Soldaten, drei jüdische Kinder und ein Lehrer geötet wurden.

Verdächtiger hatte weitere Morde geplant

Bis auf wenige kurze Unterbrechungen hatte der Mann bislang während des gesamten Polizeieinsatzes Kontakt zu den Einsatzkräften. Im Gespräch mit den Beamten hatte er nach Angaben der Staatsanwaltschaft geäußert, einen weiteren Mord an einem Soldaten geplant zu haben. Zudem habe er zwei Polizisten erschießen wollen. Laut Staatsanwaltschaft bedauerte der 23-Jährige, nicht noch mehr Menschen umgebracht zu haben.

Gegenüber den Beamten hatte sich der mutmaßliche Attentäter als "Mudschahed" - Gotteskrieger - bezeichnet. M. sei in einer "salafistischen Gruppe" in Toulouse radikalisiert worden, sagte Innenminister Claude Guéant bei seinem Besuch am Einsatzort. Mit seiner Tat habe der Mann, der nach eigenen Angaben der Terrororganisation al-Qaida nahesteht, palästinensische Kinder rächen wollen, an deren Tod seiner Meinung nach die französische Armee mit schuld sei.

Der französische Geheimdienst beobachtet den Mann, der sich bereits in Afghanistan und Pakistan aufgehalten hat, seit Jahren. Er habe zu jenen unter Beobachtung stehenden Franzosen gehört, deren Aufenthalt in Afghanistan dem Inlandsgeheimdienst DCRI bekannt war und Sorgen machte, hieß es von Seiten der Behörden. In der südafghanischen Stadt Kandahar war Mohammed M. demnach bereits einmal verhaftet worden, doch laut Staatsanwaltschaft hatte ihn die US-Armee zurück nach Frankreich geschickt. Im Rahmen der Beobachtung habe man nie Anzeichen dafür entdeckt, dass M. ein Verbrechen planen könnte, sagte Innenminister Guéant. Nach den Attentaten in Montauban und Toulouse hatten die Beamten den 23-Jährigen jedoch schnell als Verdächtigen im Visier.

Roller und E-Mail-Verkehr brachten die Ermittler auf die Spur von Mohammed M.

Am Mittwochmorgen spürte eine Spezialeinheit der Polizei den mutmaßlichen Attentäter im Stadtteil Croix-Daurade auf und umstellte das Haus, in dem er sich verschanzt hielt. Beim Versuch, die Wohnung des Mannes zu stürmen, wurden mehrere Polizisten verletzt. Dem Radiosender Europe 1 zufolge wurde einer der Beamten am Knie verwundet, ein weiterer wurde an der Schulter getroffen. Ein dritter Polizist stand demnach unter Schock, nachdem seine kugelsichere Weste getroffen worden war.

Der Bruder des mutmaßlichen Todesschützen, der ebenfalls unter Verdacht steht, konnte im Rahmen der konzertierten Polizeiaktionen festgenommen werden. Wie Mohammed M. soll auch er Mitglied einer islamistischen Gruppe sein. Im seinem Auto fanden Ermittler nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP Sprengstoff. Neben dem Bruder befinden sich auch dessen Freundin und die Mutter in Gewahrsam.

Der mutmaßliche Serien-Attentäter hatte am 11. März zum ersten Mal zugeschlagen: In Toulouse erschoss er auf offener Straße einen Fallschirmjäger in Zivil. Wenige Tage später tötete er in der Kleinstadt Montauban, 50 Kilometer nördlich von Toulouse, zwei weitere Fallschirmjäger. Am Montag brachte er vor einer jüdischen Schule in Toulouse drei Kinder und einen Lehrer um. Der Mann entkam nach seinen Angriffen, die er am helllichten Tage verübte, stets mit einem Motorroller. Der Roller und ein Mail-Wechsel mit seinem ersten Opfer brachten die Polizei schließlich auf die Spur von Mohammed M.

Sein erstes Opfer hatte der mutmaßliche Mörder demnach über eine Verkaufs-Plattform im Internet kontaktiert, wo der Soldat sein Motorrad zum Verkauf anbot. Per Mail wurde ein Treffpunkt vereinbart. Die von Polizisten identifizierte IP-Adresse konnte den Angaben zufolge einem Computer zugeordnet werden, der der Mutter des Verdächtigen gehört.

Sarkozy erklärt Soldaten seine Solidarität

Während die Polizei die Wohnung des Verdächtigen in Toulouse umzingelt hielt, sprach Präsident Nicolas Sarkozy am Mittwochnachmittag auf einer Trauerfeier in einer Kaserne in Montauban. Er verurteilte den Mord an den drei französischen Soldaten als "terroristische Exekution". Der Täter habe die französische Armee im Visier gehabt, aber die Nation getroffen. "Soldaten, heute steht die ganze Nation an eurer Seite", erklärte der Staatschef.

Bereits am Mittwochnachmittag waren die vier jüdischen Opfer in Israel beigesetzt worden. Tausende Menschen hatten an der Abschiedszeremonie in Jerusalem teilgenommen.

Linktipp: Weitergehende Informationen liefert insbesondere die Internetseite der französischen Zeitung Le Monde.

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