SZ-Kolumne "Bester Dinge":Duschen in der Telefonzelle

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Zwei Urlauber stehen in der zur Dusche umfunktionierten Telefonzelle. (Foto: Georg Wendt/dpa)

Handys machten Telefonzellen überflüssig. Nun bekommen die klobigen Kästen eine zweite Chance: als Bücherschrank, als Mini-Disko - oder wie nun an der Ostsee: als Hilfsmittel zur Körperhygiene.

Von Joshua Beer

Die Deutsche Telekom wies gelegentlich darauf hin, dass es streng genommen gar nicht "Telefonzelle" heißt. Also diese mannshohe Box, die früher mal gelb war, dann grau-magenta, und die überall im Land herumstand. Die einen Münzeinwurf hatte, der selten funktionierte, und einen Hörer, der wie ein Knüppel an der Schnur hing. "Fernsprechhäuschen" wäre der korrekte Ausdruck. Kein Mensch unter 35 weiß, was fernsprechen sein soll, obwohl er es täglich mit dem Handy tut. Aber ein ganzes Häuschen, nur um fernzusprechen? Die Zeit ist durch. Was bleibt, ist Nostalgie.

Na ja, nicht nur. Die Telefonzellen gibt es noch, nur telefoniert darin niemand mehr. Am 30. Januar dieses Jahres schaltete die Telekom alle deutschen Zellen ab. Per Software-Update - eine Art Gnadentod für die verbliebenen 12 000 Dinger. Einst waren es 160 000 .

Doch auf teils kuriosen Wegen finden Telefonzellen auch im Smartphone-Zeitalter einen Nutzen. Als Bücherschränke stehen sie fast in jeder Stadt. In Berlin baute eine Firma winzige Diskos in alte Zellen - Lieblingslied per Münzeinwurf. Auf der Schwäbischen Alb machte ein Gastwirt aus dem Häuschen ein "Eishäusle", und in Schottland stellte ein Hotelier Spirituosen rein und behauptete, die angeblich kleinste Bar der Welt zu betreiben. Der Künstler Benedetto Bufalino wiederum füllte Londoner Boxen mal mit Wasser, schmiss echte Fische rein, und zack: ein Aquarium.

Wer sich diese Vielfalt so anschaut, dem vergeht glatt die Sehnsucht nach früher. Denn mal ehrlich: Wer stand schon gerne in einer muffigen Zelle unter den Blicken Wartender und knüppelte mit dem Hörer auf die Gabel, weil die Münzen zum fünften Mal rausfielen? Nostalgie ist ja auch immer etwas Verklärung.

Der neueste Kniff fiel nun dem Tourismus-Service Großenbrode an der Ostsee ein, wie die Lübecker Nachrichten berichteten: Dieser ließ eine alte Zelle zur Duschkabine ummodeln. Mit Blick aufs Meer, und durch den Brausekopf regnet es Ostseewasser. Damit hat die öffentliche Freibaddusche hoffentlich ausgedient.

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