Telefonterror in Frankreich:"Hallo, hier Kommissar Bellamy"

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Ein Anruf bei Alain Cullier, dessen Handy ständig klingelt, weil seine Nummer in einem Depardieu-Film auftaucht. Nach jeder Ausstrahlnug bekommt er Dutzende Anrufe.

Lilith Volkert

Zunächst dachte Alain Cullier, 62, an einen Stalker, als im Frühjahr 2009 fast jeden Abend sein Handy klingelte und am Ende der Leitung auflegt wurde. Bis ihm nach einigen Wochen ein Anrufer erzählte, woher er seine Nummer hatte: In Claude Chabrols Kinofilm "Kommissar Bellamy" gehört sie einem Mann, der bei der von Gérard Depardieu gespielten Hauptfigur Hilfe sucht. Seit der Film im Fernsehen läuft und als DVD zu kaufen ist, kriegt Alain Cullier wieder regelmäßig Anrufe von Unbekannten. Der Franzose wartet auf eine Entschuldigung des Regisseurs, bisher vergeblich.

Süddeutsche Zeitung: Herr Cullier, warum haben Sie nicht einfach die Telefonnummer gewechselt?

Cullier: Na hören Sie mal, das ist mein Diensthandy, da kann ich nicht einfach die Nummer ändern. Außerdem sehe ich das gar nicht ein. Es ist ja nicht meine Schuld, dass sie in einem Film vorkommt.

SZ: Normalerweise wird vorher überprüft, ob eine Nummer vergeben ist.

Cullier: Claude Chabrol und seine Kollegen haben das offensichtlich vergessen. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass sie das besonders schlimm finden. Der Pressesprecher von Herrn Chabrol wollte mir nicht einmal glauben, dass mich so viele Leute anrufen.

SZ: Wie viele waren es denn bisher?

Cullier: Sicher über hundert, die meisten davon abends oder nachts. Als "Kommissar Bellamy" neulich im Fernsehen lief, habe ich mein Handy ausnahmsweise ausgemacht. Am nächsten Morgen hatte ich 13 verpasste Anrufe.

SZ: Was wollen die Leute denn?

Cullier: Die meisten sind nur neugierig, ob es die Nummer wirklich gibt. Wenn ich abhebe, erschrecken sie und legen auf. Anfangs habe ich mich manchmal mit "Hallo, hier Kommissar Bellamy" gemeldet.

SZ: Gehört die Nummer im Film nicht einem Mann, der dem Kommissar den Mord an seiner Frau beichten möchte?

Cullier: Wirklich? Ich habe den Film noch gar nicht gesehen. Ich dachte immer, die Anrufer erschrecken auch so, weil sie denken, sie hätten den Kommissar am Apparat, also Gérard Depardieu.

SZ: Sind Sie jetzt enttäuscht?

Cullier: Ach was. Aber ein lustiger Zufall wäre das schon: Ich bin nur ein Jahr älter als Gérard Depardieu und mache einen ähnlichen Job wie die Figur, die er spielt.

SZ: Sie sind Kommissar?

Cullier: Nein, aber früher war ich tatsächlich bei der Gendarmerie. Jetzt bin ich Direktor des Verbands für Straßensicherheit des Départements Meurthe-et-Moselle in Nancy. Wir gehen in Schulen und Unternehmen und klären über die Gefahren im Straßenverkehr auf. Von allen tödlichen Arbeitsunfällen passieren mehr als die Hälfte unterwegs, wussten Sie das? Ich versuche also, Todesfälle zu verhindern. So ähnlich wie ein Kommissar.

SZ: Was glauben Sie, warum wurde ausgerechnet Ihre Nummer ausgewählt?

Cullier: Sicher, weil sie so gut zu merken ist: 06 12 24, das ist einfach. Dann 82 68, das kriegt man auch noch hin. Ein Freund hat mir erzählt, dass die Nummer zwei Mal langsam wiederholt wird.

SZ: Wollen Sie den Film nicht mal anschauen, wenn schon Ihre Handynummer darin mitspielt?

Cullier: Nein. Solange Claude Chabrol sich nicht bei mir entschuldigt hat, boykottiere ich seinen Film.

SZ: Wie könnte so eine Entschuldigung aussehen?

Cullier: Eine kleine Spende für meinen Verband fände ich eine nette Geste. Aber ganz ehrlich, mir würde auch ein kurzer Anruf von Herrn Chabrol reichen, dass ihm die ganze Sache leid tut. So schwer kann das doch nicht sein. Und meine Nummer hat er ja.

© SZ vom 22.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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