Süddeutsche Zeitung

Tel Aviv:Der Sexshop, der jetzt koscher ist

Pastellfarbenen Spielzeuge werden hier wie Designerprodukte präsentiert: Der erste koschere Sexshop in Israel hat eröffnet. Aber was heißt das eigentlich? Ein Besuch.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Man könnte das Geschäft in der Montefiori-Straße im Zentrum Tel Avivs für einen der vielen üblichen schicken Modeläden in dieser Gegend halten, wäre da nicht die riesige Aufschrift in der Auslage: koscherer Sex. Der erste koschere Sexshop in Israel nimmt nur die rechte Seite des Geschäfts ein, auf der anderen Seite wird Vintage-Kleidung verkauft. "Das senkt die Hemmschwelle hereinzukommen", erklärt Chana Boteach. Das Geschäft hat so gar nichts Schmuddeliges oder Vulgäres. "Die Produkte sind elegant und nicht trashig", sagt die 28-jährige Betreiberin.

Tatsächlich werden die auf stylischen Regalen und Tischen ausgestellten pastellfarbenen Sexspielzeuge wie Designerprodukte präsentiert: Es gibt dutzende Vibratoren, Stäbe und Ringe, die Namen wie Eva, Ina, Kushi oder Lelo haben. Zwischen Duftölen, Bodylotions und Kerzen liegen Quasten für die Brüste, Augenbinden und seidene Fesseln. Auf Wunsch zeigt Boteach die Anwendung ihrer Verkaufsobjekte - gerne auch hinter einem Vorhang.

Ihre Auswahl sei "noch bescheiden", weil sie auf Einfuhrgenehmigungen ihrer Produkte aus den USA, Japan und Spanien nach Israel wartet. Boteach zeigt auf ihrem Laptop, dass sie in ihrem Onlineshop mehr als hundert Produkte anbietet.

Die 28-Jährige ist die Tochter des orthodoxen US-Rabbiners Shmuley Boteach, eines seiner neun Kinder. Der Vater erlangte weltweit Bekanntheit durch sein Buch "Koscherer Sex: Ein Rezept für Leidenschaft und Intimität". Mehrere Dutzend Exemplare seiner Bücher sind im Tel Aviver Geschäft ausgestellt, er will demnächst im Geschäft seiner Tochter einen Vortrag halten. "Er hat mir seinen Segen gegeben", sagt sie. "Ich habe seine Vorstellungen weiterentwickelt."

"Alles, was ein Paar näher zusammenbringt, ist koscher und erlaubt"

Die Berichte über den vor vier Monaten eröffneten Sexshop haben in Israel eine Debatte ausgelöst, was denn nun koscherer Sex sei. Boteachs Antwort: "Das Judentum ist voller Weisheiten. Im Gegensatz zu dem, was die meisten denken, hat das Judentum einen sehr gesunden und balancierten Zugang zu Sex, sehr offen. Diese Botschaft wird gerne unterdrückt. Unserer Vorstellung nach ist alles, was ein Paar näher zusammenbringt, koscher und erlaubt." Ihr Ziel sei, die Liebe zwischen Paaren zu befeuern: "Ehe und Monogamie wird oft mit Langeweile gleichgesetzt. Manchmal braucht man Unterstützung, um die Leidenschaft zu erhalten."

Worauf sie Wert legt: Dass ihre Kunden in exklusiver und verbindlicher Partnerschaft zusammen sind - das muss nicht unbedingt verheiratet heißen und schließt auch homosexuelle Paare ein. "Ich will keine Produkte anbieten, die einen Partner ersetzen."

Die Kundschaft sei großteils weiblich, aber es kämen auch Männer herein - mehr als sie erwartet habe. Kritik kontert sie mit Verweisen auf heilige Schriften, etwa das Buch Genesis. "Dort steht: Ein Mann soll seinen Vater und seine Mutter verlassen für eine Frau, und sie sollen ein Fleisch werden." Ob sie einen solchen Shop auch in Jerusalem, wo deutlich mehr religiöse Juden als im toleranten Tel Aviv leben, eröffnen hätte können? Sie zögert kurz: "Ich bin mir nicht sicher, ob die Zeit dafür schon reif ist", erklärt Boteach, die vor neun Jahren aus den USA nach Israel übersiedelt ist und "aus einer sehr zionistischen Familie kommt".

Ihr bisheriger Höhepunkt als Verkäuferin war, als ein 79-jähriger religiöser Jude in ihr Geschäft kam, um für seine Frau zum 50. Hochzeitstag einen Vibrator zu kaufen. "Dass man in dem Alter noch diese Leidenschaft und Anziehungskraft spürt, das ist doch toll! Genau das will ich vermitteln."

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Quelle:
SZ vom 16.08.2019/afis
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