Tattoos eines Ex-Nazis:Mit Haut und Hakenkreuz

16 Jahre lang war Bryon Widner einer der führenden Köpfe der US-Neonazi-Szene. Stolz trug er seine Gesinnung für jeden sichtbar zur Schau. Dann entschließt er sich zum Ausstieg: Doch um eine Chance auf Resozialisierung zu haben, müssen seine rassistischen Tätowierungen aus dem Gesicht entfernt werden. Die Bilder einer Rückverwandlung.

Johanna Bruckner

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Bryon Widner

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16 Jahre lang ist Bryon Widner einer der führenden Köpfe der US-Neonazi-Szene. Stolz trägt er seine Gesinnung für jeden sichtbar zur Schau. Doch um eine Chance auf Resozialisierung zu haben, müssen seine rassistischen Tätowierungen aus dem Gesicht entfernt werden. Die Bilder einer Rückverwandlung.

Hass und Gewalt. Diesen Werten hat sich Bryon Widner 16 Jahre lang verschrieben, für jeden erkennbar: In schwarzer und roter Tinte ist seine menschenverachtende Lebensphilosophie in seine Haut eingraviert. Wenn er zuschlägt, bekommen die Gegner seinen Hass nicht nur zu spüren, sondern auch zu sehen: "Hate" (Hass) steht auf den Fingern seiner rechten Hand, ein Buchstabe pro Finger. Auf seiner Brust hat er den Namen des rechtsextremen Netzwerkes "Blood and Honour" (Blut und Ehre) in alter Frakturschrift tätowiert, dazwischen prangt eine Triskele, ein Symbol vieler (Neo-)Nazi-Organisationen, ähnlich dem Hakenkreuz.

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Als Teenager rutscht der Amerikaner ins rechte Milieu ab - und steigt zu einer Führungsperson in der Skinhead-Szene in Indiana und Ohio auf. Er ist Mitbegründer des gefürchteten "Vinlanders Social Club": Die Gruppe spaltet sich Anfang des neuen Jahrtausends von den "Hammerskins", einer Vereinigung, die sich als Elite der US-Neonazis versteht, ab. "Die Vinlanders wurden von Leuten gegründet, die zu extrem für den Rest der Bewegung waren", charakterisiert Joe Roy, Rechtsextremismus-Experte der US-Menschenrechtsorganisation Southern Poverty Law Centre (SPLC), die rechte Splittergruppe. "Alle Skinheads sind gewalttätig, aber sie standen an der Spitze."

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Widner trägt stets eine Rasierklinge bei sich, gilt als "pitbull" oder "enforcer" (Vollstrecker): Deren Rolle innerhalb der Organisation ist es, bei der geringsten sich bietenden Gelegenheit zuzuschlagen. 2007 sorgt eine brutale Attacke auf einen afroamerikanischen Obdachlosen in Indianapolis für Entsetzen: Drei Mitglieder der Vinlanders - darunter ein Mann mit dem Spitznamen "der Metzger" - jagen den Mann durch die Innenstadt, prügeln ihn ins Koma. Obwohl Widner bei diesem Überfall nicht dabei ist, verfolgen ihn seine eigenen Gewaltexzesse bis heute.

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Der Wendepunkt in seinem Leben kommt 2006: Auf einem rechten Musikfestival in Kentucky trifft Bryon Widner Julie. Diese ist wie er vom neonazistischen Gedankengut fasziniert und ebenfalls Tattoo-Fan. Die beiden verlieben sich, heiraten und wollen eine Familie gründen. Doch ihre Kinder sollen nicht in die Szene hineingeboren werden - gemeinsam beschließt das Paar auszusteigen.

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Eine lebensgefährliche Entscheidung: "Es gibt zwei Ausstiegsmöglichkeiten: Gefängnis oder Grab. Das ist die Skinhead-Philosophie", sagt Widner. Doch mögliche Racheaktionen seiner früheren Gang sind nicht das einzige Problem: Mehr noch als sein Vorstrafenregister sind seine Tätowierungen, vor allem die im Gesicht und an den Händen, Belege seiner brutalen Vergangenheit. "Mit all diesen Tätowierungen bist du gebrandmarkt. Es gibt keinen Ausweg. Niemand in der Gesellschaft wird dich anstellen oder dir eine Chance geben", sagt Roy vom SPLC, der in den USA Szene-Aussteiger betreut. "Es war offensichtlich, dass er sich von Grund auf geändert hatte - aber die meisten Menschen sahen nur seine Tattoos."

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Mit finanzieller Unterstützung des SPLC entscheidet sich Widner zu einem drastischen Schritt: Über zwei Jahre unterzieht er sich Laserbehandlungen im Gesicht und an den Händen. Nach jeder Sitzung ist sein Gesicht geschwollen und voller Blasen: Der geläuterte Gewalttäter sieht die Tortur als Strafe für sein Unrecht.

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Doch die Qualen lohnen sich: Langsam verschwindet die Vergangenheit aus Widners Gesicht.

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Der Fernsehsender MSNBC hat die Geschichte des Ex-Nazis verfilmt: Erasing Hate, also "Hass Ausradieren", heißt die Dokumentation passenderweise, die an diesem Sonntag im US-TV ausgestrahlt wird. Widner knüpft an den Film eine Hoffnung: "Wenn ich einen Jugendlichen davon abhalten kann, dieselben Fehler zu machen, die ich begangen habe, wenn ich eine Familie davor bewahren kann, denselben Mist durchzumachen, den ich meiner Familie zugemutet habe, kann ich mich vielleicht selbst rehabilitieren."

Abgeschlossen ist die wundersame Verwandlung des Bryon Widner indes nicht:

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Denn seinen Körper überziehen noch immer Reminiszenzen seiner rassistischen Vergangenheit. Ob er diese auch noch entfernen oder als Mahnmale stehen lässt, ist nicht bekannt.

© sueddeutsche.de/jobr/sks/bgr
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