Süddeutsche Zeitung

"Tatort" zu Stuttgart:Schwabens Drecksloch

"Das stimmt so nicht": Oberbürgermeister Fritz Kuhn hadert damit, wie schlecht Stuttgart im "Tatort" wegkommt. Ob er dem Image seiner Stadt damit einen Gefallen tut, ist zweifelhaft.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Ein halbes Dutzend Städte in Baden-Württemberg, von Karlsruhe über Heidelberg bis Ulm, haben sich kürzlich beim SWR beworben: Sie wollen Tatort-Tatort werden, natürlich in der Hoffnung auf schaurig-schöne Bilder, Imagewerbung, mehr Touristen. Bestimmt sind die Kommunalpolitiker am Sonntag erschrocken, als sie die neueste SWR-Folge aus Stuttgart sahen, aus ihrer Hauptstadt.

Standortwerbung? "Schauen Sie sich doch Stuttgart an: ein Drecksloch, ein städtebaulicher Irrtum, ein zubetonierter Talkessel." Und das größte Bauprojekt der Stadt? "Stuttgart 21 ist ein reines Spekulationsobjekt ohne Nutzen für die Allgemeinheit." Eine Stadt mit Selbstvertrauen hält solche Zitate aus. München, ein Drecksloch: Da würde man lachen in der bayerischen Hauptstadt.

"Das stimmt so nicht", sagt Bürgermeister Kuhn

Aber ist Stuttgart eine Stadt mit Selbstvertrauen? Oberbürgermeister Fritz Kuhn ist jedenfalls am Tag danach an die Öffentlichkeit gegangen, um einige Dinge zu korrigieren. Ob er dem Image seiner Stadt damit einen Gefallen tut, ist zweifelhaft.

Tatsächlich war der Krimi-Plot nicht sonderlich originell. Der Bahnhof wird nur deshalb für viele Milliarden tiefer gelegt, damit oben Grundstücke frei werden für Immobilien-Haie. Verquickung von Politik und Wirtschaft, Korruption: Das erzählen die Gegner von Stuttgart 21 seit Jahren. Für sie ist das nicht Fiktion, sondern Realität.

"Das stimmt so nicht", erwidert nun Kuhn in seiner Pressemitteilung. Er ist angefasst, weil er als einstiger Gegner von S 21 nun als OB das Projekt zu einem vernünftigen Ende bringen will. Deshalb ist ihm wichtig: Das Gelände werde, "keine Wiese für Heuschrecken", dafür sorge die von ihm gestartete informelle Bürgerbeteiligung. Einen Bebauungsplan gebe es noch gar nicht.

Kuhn hat recht. Aber mit nicht vorhandenen Bebauungsplänen gegen künstlerische Freiheit zu argumentieren, klingt irgendwie beleidigt. Ignorieren ist immer die bessere Wahl. Zumal die Handlung für viele der fast zehn Millionen Zuschauer ohnehin zu kompliziert war. Bilkay Öney, Landesministerin für Integration, twitterte: "Ich habe nix vom #Tatort zu #S21 verstanden."

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Quelle:
SZ vom 23.06.2015/fued
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