Mehrere Hundert Grindwale sind an verschiedenen Stellen im Westen der australischen Insel Tasmanien gestrandet, etwa 380 der Tiere sind nach Angaben von örtlichen Tierschützern bereits tot. Was in und um die abgelegene Macquarie-Bucht passiert ist, "sprengt alle Dimensionen", sagt Fabian Ritter. Der Meeresbiologe leitet den Bereich Meeresschutz bei Whale and Dolphin Conservation (WDC), einer gemeinnützigen Organisation, die sich dem Schutz von Walen und Delfinen widmet. Zwar seien Massenstrandungen von Grindwalen kein unbekanntes Phänomen, auch nicht in Tasmanien oder Neuseeland, sagt Ritter. Aber dass die Tiere sich gerade in diese Bucht und in so großer Zahl verirrt haben, sei "höchst ungewöhnlich".
Der Eingang zur Macquarie-Bucht ist eng, das Meer davor nicht gerade tief - kein Ort also, wo sich Grindwale normalerweise aufhalten. Ihr Zuhause ist die Hochsee, sie finden ihre Nahrung in Tiefen zwischen 500 und 1000 Metern. "Die Desorientierung der Tiere muss also weit vor der Küste begonnen haben", sagt Ritter, der Grindwale seit mehr als 20 Jahren erforscht. "Dass sie dann in die Bucht geschwommen sind, kann nur bedeuten: Sie haben sich komplett verirrt und sind in Panik geraten."
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Über die Ursache dafür könne man nur spekulieren. "Sie kann natürlicher Art sein", sagt Ritter. Grindwale seien in sehr stabilen Familienverbänden organisiert, sie folgten alten Leittieren, die sich auf ihren Routen unter anderem an den Magnetfeldern der Erde orientierten. Es könne jedoch auch sein, dass die Leittiere der gestrandeten Wal-Verbände krank geworden seien und die Orientierung verloren hätten. Auch der Mensch könnte eine Rolle spielen. Vielleicht hat ein Leittier sich über Jahre hinweg am Meeresmüll vergiftet? Vielleicht hat Unterwasserlärm von militärischen Übungen oder Rohstoff-Suchen die Tiere in Panik versetzt? "Ich vermute, dass verschiedene Faktoren in diesem Fall auf sehr ungute Weise zusammengespielt haben", sagt Ritter.
Tierschützer in Australien stellen sich auf eine tagelange Rettungsaktion ein. Es sei eine der schwierigsten Rettungsaktionen, verglichen mit früheren Massenstrandungen in der Region, heißt es. Bisher konnten 50 Wale zurück in tiefes Wasser gebracht werden. "Wir werden weiter daran arbeiten, so viele Tiere wie möglich zu befreien", sagte Nic Deka von der zuständigen Behörde. Die Helfer konzentrierten sich auf die Tiere mit den besten Überlebenschancen.
Fabian Ritter dämpft die Hoffnung, dass viele Tiere überleben werden. Wäre es ein verirrter Familienverband mit zehn bis 15 Tieren, wäre eine Rettung leichter. Aber nun müssten mehrere Verbände durch die enge Bucht aufs offene Meer und zurück in ihr eigentliches Gebiet, die hohe See, geleitet oder gedrängt werden. "Schon das ist eine extreme Herausforderung", sagt Ritter. Doch selbst wenn es den organisierten Retter-Netzwerken gelingt, diese Herausforderung zu bewältigen, ist da noch das Sozialverhalten der Grindwale. Sie kehren oft wieder um, schwimmen zurück in Richtung Land, wo ihre kranken oder toten Artgenossen liegen. "Weil sie wissen, dass sie als Individuum nicht überleben, bleiben sie, bei ihren Artgenossen", sagt Ritter.
Kris Carlyon, Meeresbiologe von Tasmania Parks & Wildlife Service, sagt zwar, er sei optimistisch, noch einige Grindwale retten zu können. Aber er sagt auch: "Es gibt wenig, was wir tun können, um solche Vorfälle in der Zukunft zu vermeiden."