Tanktourismus in USA:Ab nach drüben

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Um billig Benzin zu tanken, strömen US-Bürger nach Mexiko - und legen mit ihren Autos den Verkehr lahm.

Reymer Klüver

Gus Robinson ist Klempner und ein cleverer Kerl. Zumindest was den Diesel angeht, den sein schwerer schwarzer Ford-Pick-Up schluckt. Gus hat sich einen Zusatztank montieren lassen, elegant angepasst an die Ladefläche. Mit dessen Hilfe spart er nun praktisch mit jeder Meile, die er fährt. Und je höher die Spritpreise in den USA klettern, um so besser ist das für Gus. Robinson lebt in Chula Vista bei San Diego, und zum Tanken fährt er hinüber über die Grenze nach Mexiko. Dort sind die Dieselpreise in der Regel zwei Dollar niedriger als in den USA. Der Tanktourismus ist seit der Benzinpreisexplosion in den Vereinigten Staaten eine Wachstumsbranche geworden entlang der mehr als 3000 Kilometer langen Grenze zwischen den USA und Mexiko.

Die Anzeigentafel in der Grenzstadt Tijuana an, wieviel Tanken vor und nach der Grenze kostet. (Foto: Foto: Reuters)

Tatsächlich ist die Preisdifferenz enorm. In Südkalifornien beispielsweise mussten die Autofahrer in der vergangenen Woche in der Regel 1,21 Dollar für einen Liter Normalbenzin bezahlen, umgerechnet 77 Euro-Cents. Europäer können über solche Preise nur lachen. Den Autofahrern in den USA treiben sie indes Tränen der Wut in die Augen. Vor einem Jahr zahlten sie noch die Hälfte, und das war für amerikanische Verhältnisse schon viel.

Zudem fuhren die Mineralöl-Giganten im vergangenen Jahr Rekordgewinne ein. In Mexiko aber bezahlt man an den Zapfsäulen noch immer nur 66 US-Cents pro Liter. Der Energiemarkt dort ist verstaatlicht. Alle Tankstellen gehören dem staatlichen Energiekonzern Pemex. Die Preise sind nicht freigegeben, sondern von der Regierung festgelegt. Deshalb der exorbitante Preisunterschied zu den USA.

Da verwundert es nicht wirklich, wenn immer mehr Amerikaner zum Tanktreck über die Grenze aufbrechen, ob nun in Laredo und El Paso in Texas oder in San Diego in Kalifornien. "Es rechnet sich nach vier oder fünf Trips über die Grenze", sagt John Watanabe aus San Diego. Und zudem gibt es an jeder mexikanischen Tankstelle noch Tankwarte, die - ungeahnter Luxus angesichts der in den USA üblichen Selbstbedienungstankstellen - auch noch Luftdruck und Ölstand überprüfen.

Die Tankfahrt kann allerdings zum Geduldsspiel werden. An der Autobahn-Grenzstation zwischen San Diego und Tijuana gibt es mitunter Wartezeiten von bis zu drei Stunden, weil die US-Grenzer ihren Job ziemlich genau nehmen und sich von Staus nicht im mindesten beeindrucken lassen. Vor den Tankstellen in Mexiko bilden sich regelmäßig Schlangen - umso länger, je näher sie an der Grenze liegen.

Allerdings dürfen Amerikaner nur Kraftstoff einführen, der sich im Tank ihres Autos befindet. Benzin in großen Kanistern dürfen sie nicht importieren. Deshalb der Trick mit dem Zusatztank, wie Gus Robinson einen hat: Er muss fest installiert und an den Motor angeschlossen sein.

Darauf hat sich die Firma im kalifornischen Santee, von der Robinson seinen Tank hat, inzwischen spezialisiert. Im vergangenen Jahr hatte sie nur zehn dieser Tanks verkauft. Allein in diesem Juni aber waren es schon zwölf. Kostenpunkt der Installation: 1300 Dollar. Beeindruckend: die Zeitersparnis. Gus Robinson etwa fährt nur noch einmal im Monat rüber - früher tankte er mindestens einmal wöchentlich auf.

Inzwischen verbreiten regionale Fernsehanstalten Tipps, wann es am günstigsten ist, zu einer Tankfahrt aufzubrechen, um Staus und Schlangen zu vermeiden. "Wenn die Dämmerung einsetzt, überquere ich die Grenze", wird etwa Michael Purdy aus Point Loma direkt am Pazifik zitiert. Andere schwören auf die Grenzerfahrung am frühen Morgen, weil da die Wartezeiten am kürzesten sind, oder fahren Umwege zu ruhigen Grenzstationen wie Tecate im Osten Tijuanas, ein Grenzübergang, der nachts sogar noch geschlossen ist.

Allerdings sind die Schnäppchenjäger aus dem reichen Norden in Mexiko nicht unbedingt willkommen. Erst am Montag mussten viele Tankwarte in Tijuana ihre Dieselzapfsäulen dichtmachen, weil der Kraftstoff ausgegangen war. Die Raffinerie der staatlichen Pemex in Rosarito Beach, die Tijuana und Baja California versorgt, kommt der Nachfrage nicht mehr hinterher. Vor allem der öffentliche Nahverkehr hat darunter zu leiden. Transportes Calfia, das größte Bus-Unternehmen in Tijuana, musste nach eigenen Angaben 40 Prozent der Busse stilllegen. Das Unternehmen transportiert normalerweise pro Tag 350.000 Fahrgäste in 1200 Bussen. Bereits im Juni war es wegen Dieselknappheit zu erheblichen Busausfällen gekommen. Da kommt Freude auf über die Yankees.

© SZ vom 03.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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