Tagesmutter vor Gericht:"Ich wollte, dass er ruhig ist"

Geständnis: Eine überforderte Tagesmutter hat ein 14 Monate altes Baby durch Schütteln getötet. Die Eltern des Kindes kämpfen noch immer mit dem Verlust.

A. Krug

Unter Tränen hat am Montag im Schwurgericht die ehemalige Tagesmutter Alexandra S. ihre Schuld am Tod des kleinen Christopher gestanden. Die 34-Jährige räumte ein, den ihr anvertrauten Buben im September vorigen Jahres in ihrer Wohnung in Giesing zweimal kräftig geschüttelt zu haben. Das 14 Monate alte Baby starb danach an einer Gehirnblutung. "Ich wollte ihm doch nichts tun, ich wollte nur, dass er ruhig ist", sagte die weinende Angeklagte. Die erschütterten Eltern des Kindes verfolgten die Aussage als Nebenkläger. Auch sie brachen immer wieder in Tränen aus.

Tagesmutter vor Gericht: Trauernde Eltern: Kurz vor dem Prozess hat die Angeklagte an Christophers Eltern einen Entschuldigungsbrief geschrieben. "Das nützt mir jetzt auch nichts mehr", sagte die Mutter Natalie K., vermied vor Gericht jedoch Vorwürfe.

Trauernde Eltern: Kurz vor dem Prozess hat die Angeklagte an Christophers Eltern einen Entschuldigungsbrief geschrieben. "Das nützt mir jetzt auch nichts mehr", sagte die Mutter Natalie K., vermied vor Gericht jedoch Vorwürfe.

(Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Josef, 34, und Natalie K., 30, hatten eine gerahmte Fotografie ihres geliebten Kindes mitgebracht, die sie vor sich auf den Tisch stellten. Damals, im September 2008 hatten sie erst nach langer und mühsamer Suche eine Tagesmutter gefunden. Alexandra S. wurde ihnen vom Jugendamt vermittelt, galt als zuverlässig und qualifiziert. Sie hatte nicht nur die vorgeschriebenen 60 Unterrichtsstunden absolviert, sondern auch noch an einer Aufbauqualifikation teilgenommen. Ihren Job als Tagesmutter hatte Alexandra S. im Januar 2005 übernommen.

Übermäßiger Alkoholkonsum

Zuvor hatte die gelernte Hotelfachfrau ein eher unstetes Leben mit verschiedenen Jobs geführt. Auch ihre von zeitweise übermäßigem Alkoholkonsum ("manchmal habe ich schon acht halbe Bier getrunken") begleiteten Beziehungen zu Männern waren alles andere als konfliktfrei. "Ich bin sehr fordernd und besitzergreifend", meinte die 34-Jährige, die zwei fünf und elf Jahre alte Töchter von zwei Männern hat. Die jüngere leidet unter epileptischen Anfällen und erforderte die ganze Aufmerksamkeit der Mutter.

Dass Alexandra S. nebenbei auch noch drei Kinder als Tagesmutter betreute, sollte sich als verhängnisvoll erweisen. "Die Nachfrage war so groß", sagte die Angeklagte beinahe entschuldigend.

Anfang September vorigen Jahres wurde der kleine Christopher erstmals von seiner Mutter in die Wohnung der Angeklagten gebracht. "Die Eingewöhnung verlief ganz normal", sagte Alexandra S., der Bub habe allerdings Einschlafprobleme gehabt. So auch am 25. September. Christopher habe geschrien und sich nicht beruhigen lassen: "Da hab' ich ihn gepackt und geschüttelt und geschrien, er soll endlich aufhören." Zweimal habe sie das Baby geschüttelt, "der Kopf ist vor und zurück".

Danach sei Christopher völlig ruhig gewesen und sie habe ihn in sein Bettchen gelegt. Nach 20 Minuten habe sie nocheinmal nach ihm geschaut, da habe er sich erbrochen gehabt und geröchelt. Nach der Alarmierung des Notarztes kam der Bub in eine Klinik, doch die Ärzte konnten sein Leben nicht mehr retten: Am 27. September um 14.40 Uhr starb das Kind an den Folgen einer Gehirnblutung.

"Er war doch schon so groß"

Sie habe mit diesen Folgen nicht gerechnet, verteidigte sich die Angeklagte. "Er war doch schon groß. Ich hab' nicht gedacht, dass da was passieren kann." Nach ihrer Aussage will sie die Gehirnblutung erst mit ihrem Schütteln in Verbindung gebracht haben, als sie am selben Abend noch im Internet recherchierte. "Da habe ich mir Vorwürfe gemacht. Ich habe gebetet, aber am Morgen kam dann die Mitteilung, dass er gestorben ist", sagte die Angeklagte, die sich zeitweise mit Selbstmordgedanken trug.

Kurz vor dem Prozess hat sie an Christophers Eltern einen Entschuldigungsbrief geschrieben. "Das nützt mir jetzt auch nichts mehr", sagte Natalie K. Sie und ihr Mann vermieden es als Zeugen am Nachmittag jedoch, der Angeklagten irgendwelche Vorwürfe zu machen. Über den Verlust ihres einzigen Kindes kommen sie indes nicht hinweg, jeden Sonntag gehen sie zu seinem Grab. Die Anklage lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge, als Strafe drohen Alexandra S. damit bis zu 15 Jahre Haft.

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