Täter-Studie:"Eins, zwei, drei, Türen sind aufgemacht"

Wohnungseinbrüche

Das Kriminologische Forschungsinstitut Hannover präsentiert die erste Studie zu den Motiven von Einbrechern.

(Foto: dpa)
  • Kriminologen des Forschungsinstituts Hannover interviewen Einbrecher, die für ihre Straftaten extra nach Deutschland gereist sind und jetzt im Gefängnis sitzen.
  • Die Motive für ihre Taten sind sehr unterschiedlich, Banden gibt es eher wenige.
  • Sie stützen sich auf ein kleinkriminelles Milieu hierzulande, das ihre Beute dann kauft.

Von Jan Bielicki, Düsseldorf

Er war nicht mehr ganz jung, doch er brauchte das Geld. Eigentlich war der heute 45-jährige Kroate nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten. Doch es klappte nicht mit den Jobs, drei Monate war er mit der Miete im Rückstand, "und dann bin ich einfach Einbrechen gegangen", erzählt er. Ein Rumäne spricht von einem anderen Motiv: Bruder und Cousins kamen von ihren Einbruchstouren nach Deutschland immer mit Geld zurück: "Das begeisterte mich einigermaßen." Ein Dritter hatte zu Hause in Polen eine kriminelle Karriere eingeschlagen. Ihn sprach der Bruder seiner Freundin an. "Hör zu, du wirst mit mir rumfahren, zum Beispiel, sagt er, zu Wohnungseinbrüchen in Deutschland, und ich sage: kein Problem."

Drei ausländische Einbrecher, drei Motive: Einer steigt in eine fremde Wohnung ein, weil er sich wirtschaftlicher Not sieht. Ein anderer will sich mit der Beute ein gutes Leben finanzieren. Der dritte ist ein stolzer Profi und Einbrechen der Beruf, den er erlernt hat. Alle drei sitzen sie in deutschen Gefängnissen und gehören zu 30 Tätern, die Forschern des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens (KFN) in ausführlichen, in der Muttersprache der Häftlinge geführten Interviews Rede und Antwort gestanden haben. Herausgekommen ist dabei die erste größere Studie, die sich mit den Motiven, der Vorgehensweise und der bandenmäßigen Einbindung reisender und zugereister Einbrecher beschäftigt. Die Untersuchung, die in dieser Woche veröffentlicht wird, liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Wichtigste Erkenntnis darin: Den typischen reisenden Einbruchstäter gibt es eigentlich nicht. Vor allem korrigieren die Autoren die Vorstellung, es seien in erster Linie bestens organisierte Banden aus dem Osten, die sich über die Wohnviertel deutscher Städte hermachten. "Das in den Medien oft gezeichnete Bild von osteuropäischen Tätergruppen, die in festen Bandenstrukturen durch Deutschland ziehen", so heißt es in der Studie, werde "nicht durch die Daten gestützt". Solche oft auf Familienclans basierenden Banden, wie sie die bayerische Polizei gerade vor zwei Wochen in einer internationalen Ermittlungsaktion hochgehen ließ, gebe es zwar. "Ich hatte 80 Menschen, die mir täglich geklaut haben", berichtet ein Mann aus der Slowakei. Aber noch häufiger erzählten die Befragten von losen Netzwerken, von Freunden oder nur Bekannten, mit denen sie auf Einbruchstour gingen. Manche taten es auch allein.

Wichtig für alle - und damit für die Ermittlungsarbeit der Polizei - ist den Aussagen der Häftlinge zufolge die Einbindung in ein kleinkriminelles Milieu in Deutschland selber. Denn zu Geld machen die Täter ihre Beute, bevorzugt Gold und Schmuck, meist schnell - also hierzulande oft bei Pfandhäusern, die nicht nach dem Ausweis fragen, oder anderen Hehlern.

Für potenzielle Opfer bestätigen die interviewten Täter die bekannten Tipps, wie Einbrüchen vorzubeugen ist. "Ein niedriges Entdeckungsrisiko ist für Täter aus dem Ausland genauso wichtig wie für deutsche Täter", sagt die Studienleiterin Gina Rosa Wollinger. Das heißt: Auch bei ausländischen Tätern macht Gelegenheit Einbrecher. Sie steigen bevorzugt in Wohnungen ein, deren Türen und Fenster ihnen schlecht gesichert erscheinen - oder die gar gekippt sind. Besonders gerne haben sie ungesicherte Türen und Fenster aus Kunststoff: "Eins, zwei, drei, Türen sind aufgemacht", erzählt ein slowakischer Täter. Und einmal drinnen, lockt das, was deutsche Wohnungen so attraktiv für Einbrecher macht: Es liegt dort oft viel Geld und Schmuck herum: "Hier", so tadelt der Slowake, "sind die Deutschen sehr nachlässig."

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