Süddeutsche Zeitung

Tabakgegner Joachim Kamp:"Zigarettenautomaten sind illegal"

Lesezeit: 2 min

Ein Internist aus Emsdetten will die Deutschen vom Rauchen abbringen. Deshalb hat er mehrere Zigarettenautomaten verhüllt und mit Warnhinweisen versehen.

Interview von Kim Björn Becker

Die Plastikfolie ist so schwarz wie der Lungenflügel eines Kettenrauchers: In Emsdetten hat der Internist Joachim Kamp mehrere Zigarettenautomaten verhüllt und mit Warnhinweisen versehen. Dabei ging es dem Arzt weniger darum, zu einer münsterländischen Ausgabe des Aktionskünstlers Christo zu mutieren. Vielmehr brachten Wut und Verzweiflung über die Tabakindustrie den 51-jährigen Arzt dazu.

SZ: Herr Kamp, wie viele Zigarettenautomaten haben Sie bislang schon eingepackt?

Joachim Kamp: Es waren einige in Emsdetten, aber die genaue Zahl will ich aus juristischen Gründen nicht so gerne nennen.

Es gab also schon Ärger deswegen?

Kann man so sagen. Die Firma, welche die Automaten betreibt, will das übrigens als kleine Sache aus der Welt schaffen. Aber für mich ist das keine kleine Sache. Die Aktion soll Wellen schlagen, und wenn es nötig ist, dann mache ich weiter.

Wie muss man sich das vorstellen: Sie sind also nachts mit der Folie unter dem Arm durch Emsdetten gezogen?

Nein, ich habe das schon am helllichten Tag gemacht. Es sollte ja ein symbolischer Akt sein.

Wissen Sie, wie lange die Folie dranblieb?

Ach, nur wenige Stunden. Entweder haben die Automatenbetreiber sie beim Nachfüllen wieder abgenommen oder es waren die Nachbarn. Wer so ein Ding an der Hauswand hat, verdient ja an jeder verkauften Schachtel mit, der kriegt gewissermaßen einen Verräterlohn. Aber die Automaten wurden von mir nicht beschädigt, die Tüte war ja nur übergestülpt. Dabei hatte ich vorher noch ganz andere Ideen.

Welche denn so?

Na ja, ich erwog, die Automaten in Brand zu setzen oder sie mit Hundekot einzuschmieren. Aber das habe ich dann doch gelassen. Ich wollte möglichst wenig aggressiv vorgehen. Es geht ja um die Symbolik, und da sind mir die Zigarettenautomaten ein Dorn im Auge. Vergessen Sie nicht, Tabak führt zu 140 000 Toten in Deutschland jedes Jahr. Ich bin ja auch Palliativarzt, ich weiß, wie die sterben. Man kann doch nicht Krebs als Automat zur Selbstbedienung aufhängen! Das ist unglaublich, dass die Politik das Wohl der Deutschen an die Tabakindustrie verhökert.

Ist es wirklich so schlimm?

Jede gerauchte Schachtel kostet die Gemeinschaft 40 Euro. Also Gesundheitsausgaben, Verdienstausfall, Frührente, so was. Ich bin als Arzt natürlich daran interessiert, für die Gesundheit aktiv zu sein. Ich will, dass die Menschen gesund sind, hübsch aussehen, dass sie lange leben - und der größte Gegner ist einfach die Zigarette.

Andere schreiben Briefe, zum Beispiel an Abgeordnete. Und Sie griffen halt zur Folie.

Ich habe vorher mehreren Bundespräsidenten geschrieben, habe Abgeordnete angerufen und den Gesundheitsminister in Düsseldorf besucht. Hat alles nichts gebracht. Mein Eindruck ist, dass unsere Gesellschaft und Politik fest in der Hand der Tabakindustrie sind. Die Tabaklobby ist überall mit dabei, und selbst Gerichte und Staatsanwaltschaften haben Angst vor denen.

Und da sind Zigarettenautomaten natürlich beherrschbare Gegner - sie können sich ja schlecht wehren.

Ich würde es anders sehen. Es stand ja jetzt ein Tabakwerbeverbot im Raum. Die EU fordert das, und nur Deutschland hat es noch nicht umgesetzt. Die Bundesregierung hatte das zwar schon fest beschlossen, doch dann hat der Volker Kauder als Fraktionschef der Union das einfach boykottiert. Da riss mir der Geduldsfaden. Und die Zigarettenautomaten sind mein Ansatzpunkt, weil sie illegal sind.

Ach so?

Ja, weil sie die vorgeschriebenen Warnhinweise auf den Packungen verdecken. Aber wissen Sie, die Gesetze werden beim Tabak ja sowieso überhaupt nicht umgesetzt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3605888
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.07.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.