Süddeutsche Zeitung

Synode im Vatikan:Katholische Kirche verfehlt grundlegende Öffnung

  • Zum Abschluss der Familiensynode im Vatikan haben die Bischöfe keine gemeinsame Linie zu umstrittenen Themen wie den Umgang mit Homosexuellen und Geschiedenen gefunden.
  • Entgegen dem Zwischenbericht der Synode gibt es keine Mehrheiten mehr für einen Reformkurs.
  • Über den mit Spannung erwarteten Abschlussbericht sind Konservative und Reformer offenbar in heftigen Streit geraten.
  • Kardinal Reinhard Marx sieht den Abschlussbericht als "Kompromisstext" und hätte sich mehr Mut der Synode gewünscht.

Bischofssynode uneins über Homosexualität und Geschiedene

Die zweiwöchige Sondersynode der katholischen Kirche zu den Themen Ehe und Familie ist am Samstagabend im Vatikan ohne Einigung in den Fragen Homosexualität und Scheidung zu Ende gegangen. Vatikansprecher Federico Lombardi sagte, die Versammlung der Bischöfe und Kardinäle aus aller Welt habe eine "ausgeglichene" Abschlusserklärung verabschiedet. Offenbar gab es Zugeständnisse an die besonders konservativen Geistlichen.

Die 183 männlichen Mitglieder der Synodalversammlung stimmten über jeden der 62 Paragrafen einzeln ab. Zur Verabschiedung war jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Bei drei Paragrafen wurde diese nicht erreicht. Dabei ging es unter anderem um den Zugang zu den Sakramenten für nach der Scheidung wiederverheiratete Eheleute und die Aufnahme von Homosexuellen. Insbesondere die Frage zum Umgang mit Homosexualität war ein Knackpunkt der Beratungen, die für Kontroversen zwischen Reformern und Konservativen sorgte.

Überraschende Entscheidung nach liberalem Zwischenbericht

Es war erwartet worden, dass die Kirche eine neue Haltung gegenüber Homosexuellen und wiederverheirateten geschiedenen Eheleuten einnehmen könnte. So war in einer zuvor veröffentlichten Abschlussbotschaft noch die Rede von einer Integrationspflicht der katholischen Kirche: "Christus hat gewollt, dass seine Kirche ein Haus ist, das immer eine offene Tür hat, (...) ohne jemanden auszuschließen", heißt es in dem Papier. Außerdem hatten die "Synodenväter" darin Regierungen und internationale Organisationen aufgerufen, die Rechte von Familien zu stärken.

Auch einen am Montag veröffentlichten Zwischenbericht hatten Beobachter noch als Zeichen für einen neuen Ton der Kirche gewertet. Doch diese Erwartung erfüllte sich nicht. So wird in der Erklärung ("relatio synodi") auch nicht an der Doktrin gerüttelt, dass eine Ehe aus katholischer Sicht nur zwischen Mann und Frau möglich ist.

Eine definitive Entscheidung stellt jedoch weder die Botschaft, noch das Abschlusspapier dar. Vielmehr ist das Ziel des von Papst Franziskus einberufenen Treffens die Vorbereitung einer weiteren Synode im kommenden Jahr.

Kardinal Marx: "Das Glas ist halb voll"

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, sieht den Abschlussbericht der Familiensynode im Vatikan als "Kompromisstext". "Wir haben zum ersten Mal jetzt auf einer Synode, vielleicht sogar seit Jahrzehnten, solch eine offene, breite Diskussion erlebt über Themen, die wirklich schwierig sind", sagte der deutsche Kardinal nach der Veröffentlichung des Berichts.

Das Glas sei "halb voll", aber an einigen Stellen habe er sich mehr vorstellen können und etwas mehr Mut gewünscht. "Wenn man die Ansprachen des Papstes vergleicht mit diesen Texten, dann sagt man, (...) ein bisschen mehr Frische, ein bisschen mehr Aufbruchszenario wären vielleicht wünschenswert gewesen." Aber auch wenn am Ende die Abschnitte zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen und wiederverheirateten Geschiedenen keine Zwei-Drittel-Mehrheit gefunden hätten, sei er nicht enttäuscht.

"Der Text ermutigt uns, diese Debatte weiter zu führen", sagte Marx. Das Dokument sei nur ein Ausgangspunkt, Beschlüsse seien ohnehin nicht zu erwarten gewesen. "Wir hätten vor ein oder zwei Jahren nicht gedacht, dass diese Thematik, und auch wie sie diskutiert worden ist, möglich ist auf dieser weltkirchlichen Ebene", betonte Marx.

Auslöser der Beratungen

Mit dem zweiwöchigen Treffen im Vatikan reagiert die katholische Kirche darauf, dass für viele Gläubige eine Kluft zwischen ihrer Lebenswirklichkeit und der amtlichen Lehre besteht. Als Vorbereitung auf die Synode war aus allen Teilen der Weltkirche erstmals auch die Meinung der "einfachen" Kirchenmitglieder erfragt worden. Viele Gläubige - zum Beispiel Geschiedene, die wieder geheiratet haben und nach katholischer Lehre nicht an der Kommunion teilnehmen dürfen - beklagen, dass sie sich als Katholiken zweiter Klasse fühlten.

Die Synode geht am Sonntag mit der Seligsprechung des Papstes Paul VI. (1897-1978) zu Ende. Zu der Messe auf dem Petersplatz mit Papst Franziskus wird auch dessen Vorgänger Benedikt XVI. erwartet.

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dpa/AFP/kat/dd
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