Süddeutsche Zeitung

Schiffsunglück vor Südkorea:Ermittler durchsuchen Büros von Sewol-Betreiber

Verdacht der Misswirtschaft: Nach dem Fährunglück vor Südkorea haben die Behörden die Ermittlungen gegen die Reederei ausgeweitet und Geschäftsräume durchsucht. Das könnte womöglich den Angehörigen zugute kommen.

Eine Woche nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre Sewol haben Ermittler die Büros des Schiffsbetreibers und von Partnerfirmen durchsucht. Gegen die Eigentümerfamilie von Chonghaejin Marine wird wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Untreue ermittelt, wie südkoreanische Medien berichteten. Auch der Vorwurf der kriminellen Fahrlässigkeit steht im Raum. Ob ein Zusammenhang zwischen etwaiger Misswirtschaft und dem Unglück besteht, ist aber derzeit unklar.

Ziel der Durchsuchungen war auch eine religiöse Gruppe, die in Verbindung zur Eigentürmerfamilie steht. Auch wollen die Ermittler verborgenen Vermögenswerten nachspüren, damit Schadenersatz an die Familien der Opfer der Schiffskatastrophe gezahlt werden kann. "Wir versuchen auch, Gewinne aus illegalen Geschäften und versteckte Guthaben einzuziehen, die für die Entschädigung der Familien der Unglücksopfer genutzt werden sollen", sagte Staatsanwalt Kim Hoe Jong.

Wetterbedingungen erleichtern Suche

Unterdessen setzen Bergungsmannschaften ihre Suche nach vermissten Passagieren fort. Taucher bergen dabei immer mehr Leichen aus dem Wrack vor der Südwestküste des Landes. Die Zahl der bestätigten Todesopfer erreichte 150, wie südkoreanische Sender berichteten.

Von den ursprünglich 476 Menschen an Bord - die meisten von ihnen Jugendliche auf einem Schulausflug - gelten weiterhin mehr als 150 als vermisst. Bei den Tauchgängen wurden bisher keine Überlebenden entdeckt. Inzwischen besteht kaum mehr Hoffnung, noch Menschen retten zu können. Die Sewol war am Mittwoch vergangener Woche gekentert und innerhalb weniger Stunden gesunken.

Besseres Wetter als zu Beginn der Suchaktion und Niedrigwasser erleichterten den Einsatzkräften die Arbeit. Tauchroboter unterstützen mittlerweile die etwa 750 Taucher von Marine und Küstenwache. Die Suche konzentrierte sich den Berichten zufolge zuletzt auf die Kabinen und einen Speisesaal auf Deck drei und vier. Es wird vermutet, dass dort die meisten Passagiere eingeschlossen wurden.

Nahe der Unglücksstelle stehen seit Tagen riesige Schwimmkräne bereit, um das Schiff zu heben. Die Familien der Vermissten hatten gefordert, die Suchaktion in dieser Woche abzuschließen. Am Hafen der Insel Jeju, wohin die Fähre unterwegs war, versammelten sich erneut Angehörige, um die immer häufiger eintreffenden Boote zu erwarten, die Leichen an Land brachten. "Ich möchte nur meinen Sohn zurück", sagte der Vater eines vermissten Schülers. "Ich möchte ihn in meinen Armen halten und mich verabschieden. Ihn an diesem dunklen, kalten Ort zu wissen, halte ich nicht aus."

Neun Crewmitglieder festgenommen

Viele Fragen zum Verlauf der Katastrophe sind noch immer offen. Der Kapitän der Unglücksfähre, Lee Joon Seok, sowie nach neuen Angaben der Ermittler acht weitere Besatzungsmitglieder wurden mittlerweile festgenommen. Gegen Lee, den Steuermann und die relativ unerfahrene dritte Offizierin wurde Haftbefehl wegen Vernachlässigung von Dienstpflichten und Verstoßes gegen das Seerecht erlassen. Die Ermittler prüften, ob der Kapitän wegen Totschlags durch Unterlassen angeklagt werden könne, berichtete der staatliche Sender Arirang. Er und weitere Besatzungsmitglieder hatten das Schiff vorzeitig verlassen. Außerdem wird untersucht, warum unmittelbar nach dem Kentern keine Evakuierung angeordnet wurde.

174 Menschen an Bord der Sewol konnten gerettet werden, darunter der Kapitän und die meisten der anderen 28 Besatzungsmitglieder. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Auto- und Personenfähre während eines Kurswechsels kenterte. Doch der genaue Hergang des Unglücks ist noch offen. Es wird nicht ausgeschlossen, dass die Ladung verrutschte und das Schiff dadurch Schlagseite bekam, bevor es schließlich vollständig auf die Seite kippte.

Es ist die größte Schiffskatastrophe in Südkorea seit mehr als 20 Jahren. Beim Untergang einer überladenen Fähre vor der Westküste im Oktober 1993 waren 292 Menschen ums Leben gekommen.

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