Süddeutsche Zeitung

Südafrika:Pistorius verärgert Staatsanwalt mit Interview zur Tatnacht

Zum ersten Mal seit der Tat äußert sich der Sportler außerhalb eines Gerichts: Ja, er habe Strafe verdient. Aber er hoffe, seine Freundin würde nicht wollen, dass er sein Leben hinter Gittern verbringe.

Es ist das erste Interview, das Oscar Pistorius seit dem Tod seiner Freundin Reeva Steenkamp gibt. Zum ersten Mal äußert er sich außerhalb eines Gerichtssaals zu der Tat, wegen der er im Dezember vergangenen Jahres in zweiter Instanz wegen Totschlags verurteilt wurde.

Das Gespräch, das der Spitzensportler mit dem südafrikanischen Sender ITV führte, wird an diesem Freitagabend ausgestrahlt, wie der britische Guardian berichtet. Pistorius räumt darin ein, dass er eine lange Gefängnisstrafe verdiene. Er erkenne das Leid, dass er verursacht habe und könne denen, die ihn streng bestraft sehen wollen, "nicht widersprechen". "Manchmal denke ich, dass ich nicht das Recht habe zu leben, wo ich doch einem anderen Menschen das Leben genommen habe."

Wenn Reeva auf ihn herabsehen könnte

Allerdings bestreitet er vehement, seine Tat absichtlich begangen zu haben. "Womit ich Schwierigkeiten habe, ist der Vorwurf des Totschlags" (Anm. d. Red: Pistorius spricht von "murder". Das lässt sich nicht exakt in das deutsche Strafrecht übertragen, entspricht in diesem Fall aber am ehesten "Totschlag"). Er wolle sein Leben nicht hinter Gittern verbringen. Reeva Steenkamp würde das ebenfalls wollen, wenn sie auf ihn herabsehen könne, hoffe er.

Pistorius spricht schluchzend, wie es im Guardian heißt, teilweise sogar weinend. Das Interview zeuge einerseits von großer Ehrlichkeit. Andererseits sei es der Zeitung zufolge aber davon geprägt, dass er Vorwürfe zurückweise und sich in Entschuldigungen flüchte.

Der unterhalb der Knie amputierte Pistorius hatte am Valentinstag 2013 seine damalige Freundin Reeva Steenkamp erschossen. Pistorius hatte ausgesagt, er habe mehrfach gefeuert, weil er hinter der Toilettentür in seinem Haus einen Einbrecher befürchtet habe.

In erster Instanz war er wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Die Strafe wurde nach einem Jahr in Hausarrest umgewandelt. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein und erzielte Ende 2015 in zweiter Instanz eine Verurteilung wegen Totschlags. Derzeit läuft die Verhandlung, in der das Strafmaß festgelegt wird. Mit einer Entscheidung wird Anfang Juli gerechnet.

In dem Interview beschreibt Pistorius das Geschehen in der Tatnacht. Er sei gegen 18 Uhr nach Hause gekommen, habe mit Steenkamp gegessen und sich dann hingelegt. Seine Waffe habe im Schlafzimmer links neben dem Bett gelegen. Gegen drei Uhr in der Nacht sei er aufgewacht, weil er im Bad ein Geräusch gehört habe. In Zimmer sei es völlig dunkel gewesen.

Pistorius' Version der Valentinsnacht

Er sei "sofort ihn Panik geraten" und habe geglaubt, gerade sei jemand dabei, ins Haus einzubrechen. Er habe seine Waffe an sich genommen und zu Steenkamp, von der er glaubte, dass sie sich ebenfalls im Schlafzimmer befand, gesagt, sie solle unten bleiben und die Polizei rufen. Ohne seine Prothese sei er auf die Badezimmertür zugegangen, habe erneut ein Geräusch gehört und dann vier Schüsse abgefeuert.

Erst dann habe er realisiert, dass sich seine Ex-Freundin weder im Bett befand noch sich auf dem Schlafzimmerboden oder hinter dem Vorhang in Deckung gebracht hatte. Mit einem Cricket-Schläger habe er die Badezimmertür aufgebrochen und dahinter seine Freundin gefunden: "Ich sah nur Blut, überall Blut, so viel Blut."

Es ist die Version des Angeklagten, der zufolge die tödlichen Schüsse in Notwehr und aufgrund einer tragischen Verwechslung abgefeuert wurden. Die Staatsanwaltschaft sieht sie als Lüge an. Auch die Gerichte hat Pistorius in beiden Instanzen nicht überzeugen können.

Staatsanwalt Gerrie Nel nennt das Interview "respektlos". Damit sei die Behauptung, dass Pistorius zu depressiv und traumatisiert sei, um sich vor Gericht zu äußern, als Lüge entlarvt.

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