Süddeutsche Zeitung

Sturm Harvey:Pfarrer öffnet Kirche für Hurrikan-Opfer erst nach heftiger Kritik

Lesezeit: 2 min

Mit der Nächstenliebe war es bei Pfarrer Joel Osteen offenbar nicht so weit her. Trotz der schweren Überschwemmungen durch den Sturm Harvey teilte er am Montag auf Facebook mit, dass die Lakewood-Kirche im texanischen Houston geschlossen bleibe. Als Grund gab er an, dass der Gebäudekomplex, eine sogenannte "Megakirche" mit 16 000 Sitzplätzen, wegen "extremer Überflutungen" "unzugänglich" sei. Als Alternative listete er Unterkünfte in der Nähe der Kirche auf.

Die Aussage des wohlhabenden Predigers und Unternehmers löste in den sozialen Netzwerken Empörung aus. Er möge doch das Evangelium noch einmal lesen und seine Kirchenpforten sofort öffnen, hieß es in einem Post auf Twitter. Andere erinnerten ihn an die millionenschweren Steuervergünstigungen, die seine Kirche vom Staat erhalte.

Der Prediger selbst wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in einem Villenviertel von Houston. Er gehört zu den Vertretern des sogenannten Wohlstandsevangeliums, demzufolge Wohlstand, Vermögen und Erfolg der sichtbare Beweis für Gottes Gunst seien. Der 54-Jährige spricht in seinen Predigten und Vorträgen Woche für Woche vor etwa 45 000 Gläubigen. Über TV-Übertragungen erreicht er weltweit mehr als zehn Millionen Menschen.

Offenbar war die Lakewood-Kirche gar nicht überschwemmt

Später am Montag erinnerte ein Twitter-Nutzer Osteen daran, dass die Lakewood-Kirche gar nicht überschwemmt sei. "Keine Überflutung der Straßen rund um das Gebäude", schrieb er. Dazu postete er Bilder, die das belegen sollten. Auf Facebook stimmten ihm User zu, berichteten ebenfalls, es gebe keinerlei Überschwemmungen rund um die Kirche.

Die Kirche reagierte, veröffentlichte eine Mitteilung, in der sie die Schließung verteidigte. Ein Sprecher sagte: "Wir sind bereit, Menschen aufzunehmen, sobald die Kapazitäten aller anderen Unterkünfte der Stadt ausgeschöpft sind." Besonders christlich sei das nicht, bekam das Gotteshaus daraufhin zu hören.

Es dauerte noch weitere drei Tage, bis Osteen dem öffentlich Druck nachgab und die Pforten zur Lakewood-Kirche öffnete.

Aus welchem Grund auch immer die Kirche angeblich "unzugänglich" gewesen ist: Das Verhalten des Pfarrers scheint vielen moralisch fragwürdig. Statt sachdienlicher Hinweise sendete er seiner Gemeinde in den sozialen Netzwerken warme Durchhalteparolen.

Zumindest andere Kirchen, Konferenzzentren und Schulen gingen mit gutem Beispiel voran. Sie öffneten für die mehr als 30 000 Menschen, die durch Hurrikan Harvey ihr Zuhause verloren haben, ihre Türen.

Update: In der weiteren Debatte gaben Osteens Mitarbeiter an, die Kirchentüren seien nie verschlossen gewesen. Es sei aber keinesfalls so gewesen, dass die Menschen die Kirche dringend als Unterkunft gebraucht hätten. Auch wurden Fotos veröffentlicht, die zeigen, dass im unteren Stockwerk scheinbar doch Wasser eingedrungen war. So oder so wurde die Kirche schließlich - wie auch schon in früheren Fällen - für Schutzsuchende geöffnet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3647416
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/fie
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.