Studie der WHO:"Gewalt gegen Frauen ist ein Problem von epidemischem Ausmaß"

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Ohrfeigen, Faustschläge, erzwungener Sex: Dass auf der Welt viele Frauen Opfer derartiger Attacken werden, ist nicht neu. Doch eine Studie der Weltgesundheitsorganisation zeigt, dass die Zahlen noch höher sind als befürchtet. Jede dritte Frau erleidet demnach in ihrem Leben körperliche Gewalt.

Sexuelle und andere körperliche Gewalt gegen Frauen geschieht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge viel öfter als bislang vermutet: Weltweit erleiden etwa 35 Prozent aller Frauen - mehr als jede Dritte - Prügel, Vergewaltigungen, sexuelle Nötigungen oder andere Taten, wie aus der ersten systematischen Datenerhebung zu diesem Problem hervorgeht.

"Gewalt gegen Frauen ist ein globales Gesundheitsproblem von epidemischem Ausmaß", erklärte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan zu dem Report am Donnerstag in Genf. "Zugleich sehen wir, dass das Gesundheitswesen mehr für Frauen, die Gewalt erfahren, tun kann und tun muss", so Chan.

Missbraucht vom Ehemann

Zu den Ergebnissen der weltweiten Studie gehört, dass Frauen weit öfter sexuellen und anderen Brutalitäten durch ihre eigenen Ehemänner ausgesetzt sind als durch fremde Vergewaltiger. "Gewalt innerhalb von Beziehungen ist die am meisten verbreitete Gewalt gegen Frauen, betroffen sind 30 Prozent aller Frauen weltweit", erklärte die WHO. 7,2 Prozent aller Frauen werden der Studie zufolge Opfer sexueller Gewalt durch andere Menschen als ihre Beziehungspartner. Nicht wenige Frauen und Mädchen erleiden sogar beide Formen der Gewaltausübung.

Zudem sei bei 38 Prozent aller Frauen, die Opfer von Morden werden, der aktuelle oder ehemalige Intimpartner der Täter.

Für die Studie wurde eine untere Altersgrenze von 15 Jahren angesetzt. Die Daten für den umfangreichen Bericht wurden von Experten der WHO sowie der London School of Hygiene and Tropical Medicine und des South African Medical Research Council zusammengetragen. "Gewalt macht die Frauen leichter angreifbar für ein ganzes Spektrum von kurzzeitigen sowie langwierigen Gesundheitsproblemen", sagte die WHO-Expertin Claudia Garcia-Moreno. "Daher ist es notwendig, dass im Gesundheitswesen Gewalt gegen Frauen ernster als bisher genommen wird."

Angst vor Stigmatisierung

Die WHO veröffentlichte zugleich eine umfangreiche Hilfestellung für Kliniken und medizinisches Personal zur besseren Erkennung von Hinweisen auf Vergewaltigungen und andere Formen körperlicher Gewalt. Viele der Frauen würden aus Angst vor Stigmatisierung oder Scham die Ursachen von Verletzungen oder auch von psychischen Leiden verschleiern. Das erschwere oft medizinische Hilfe. Unter den Folgen der Gewalt gegen Frauen nennt die WHO Depressionen und Alkoholprobleme. Vergewaltigte Frauen seien 1,5 Mal öfter mit Geschlechtskrankheiten infiziert als andere.

Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass jene Frauen, die in ihrer Beziehung immer wieder Gewalt erleben, Gefahr laufen, Kinder mit einem bis zu 16 Prozent geringeren Geburtsgewicht als normal zur Welt bringen.

Fußtritte, Faustschläge, Verbrennungen

Erschrecken lösen auch die in der Studie verwendeten Definitionen für die vielfach dokumentierten Brutalitäten aus: Körperliche Gewaltanwendung reicht dabei von Ohrfeigen über das Werfen von Gegenständen und massiven Faustschlägen, Fußtritten, Würgen und Verbrennungen bis zur Bedrohung mit vorgehaltenen Schusswaffen. Sexuelle Gewalt erfasst neben erzwungenem Verkehr auch mit Drohungen oder Gewaltanwendung erreichte sexuelle Praktiken, die die betroffenen Frauen sonst nicht mitmachen würden. Die Datensammlung macht deutlich, dass Gewalt gegen Frauen in allen Ländern, Kulturen und Gesellschaftsschichten vorkommt.

Das Ausmaß scheint jedoch auch in einem Zusammenhang zum Wohlstandsgefälle auf der Welt zu stehen. So sind der Studie zufolge in Regionen mit einem hohen Durchschnittseinkommen - darunter Nordamerika, Westeuropa, Australien und Japan - 23,2 Prozent und im restlichen Europa 25,4 Prozent der Frauen Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt durch Beziehungspartner. In Südostasien hingegen sind es 37,7 Prozent und in Afrika 36,6 Prozent.

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