Studie:Angst vor dem Urlaub

Studie: Gefühlt sicher: Noch fühlen sich Urlauber am Strand von Giardini Naxos, Sizilien, wohl. Trotz Militärpräsenz.

Gefühlt sicher: Noch fühlen sich Urlauber am Strand von Giardini Naxos, Sizilien, wohl. Trotz Militärpräsenz.

(Foto: Domenico Stinellis/AP)

Eigentlich sind Urlauber für ihr schlechtes Kurzzeitgedächtnis bekannt. Jetzt halten die Deutschen nur noch fünf Reiseregionen für sicher - Spanien gehört nicht dazu.

Von Jochen Temsch

Seit die ersten Urlauber in ihren klapprigen Wirtschaftswunder-Käfern über die Alpen in den Süden gefahren sind, gilt die goldene Regel: Es kann auf der Welt passieren, was will - ihre Reiselust lassen sich die Deutschen nicht vermiesen. Umso erstaunlicher ist die Nachricht, dass es vielen inzwischen angst und bange wird, wenn sie über die Landesgrenzen schauen.

Für die Mehrheit der Deutschen gibt es nach einer Umfrage nur noch fünf sichere Urlaubsregionen. Neben Deutschland sind das Österreich und die Schweiz sowie mit deutlichem Abstand Italien und Skandinavien. Sogar das beliebteste Auslandsreiseziel der Deutschen, Spanien, ist nur für knapp die Hälfte der Befragten derzeit ein Land, in dem sie sich im Urlaub wohl und sicher fühlen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen.

"Statt Sonne, Strand und Meer ist Sicherheit zu dem entscheidenden Faktor auf Reisen geworden", sagt der wissenschaftliche Leiter der Studie, Ulrich Reinhardt. Anstelle einer Sonnengarantie werde die Sicherheitsgarantie über die künftig beliebtesten Urlaubsziele entscheiden.

Insofern überrascht es nicht, dass die Vertrauenswerte für die ehemals klassischen Ferienländer Türkei, Ägypten und Tunesien miserabel sind. Nur noch fünf Prozent der Urlauber fühlen sich dort sicher. "Je länger ein Land von Katastrophen und Anschlägen heimgesucht wird, desto länger dauert es auch, bis die Touristen zurückkommen", sagt Reinhardt. Urlauber sind bekannt für ihr schlechtes Kurzzeitgedächtnis und besuchen auch problematische Orte wieder - wenn diese nach einem Vorfall wieder aus den Schlagzeilen geraten sind, und die Regierungen der Länder den Eindruck erwecken, die Lage im Griff zu haben.

Im Falle Spaniens haben die medial stark begleiteten Ereignisse dieses Sommers offenbar Kratzer am Image des Landes hinterlassen. Demonstrationen gegen ein Zuviel an Touristen wie etwa in Barcelona oder Palma sowie Diskussionen über eine Touristensteuer trübten das Vertrauen. "Viele Urlauber haben das Gefühl, in Spanien nicht mehr jederzeit willkommen zu sein", sagt Reinhardt. Dazu kamen der Terroranschlag auf der Rambla von Barcelona im August, Meldungen von erhöhter Terrorgefahr auf Mallorca und die Konflikte um die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien.

Die Verunsicherung der Deutschen bedeutet jedoch keineswegs, dass sie tatsächlich vor einem Spanienurlaub zurückschrecken. Buchungstrends des Deutschen Reiseverbands für das Jahr 2018 lassen bereits jetzt erahnen, dass es an den Stränden zwischen Mallorca, Teneriffa und Benidorm auch im nächsten Sommer wieder eng werden dürfte. Das latente Gefühl der Bedrohung scheint vielmehr zum Alltag zu gehören. Jeder zwölfte Befragte fühle sich selbst in Deutschland nicht mehr sicher, heißt es in der Studie. "Damit Touristen ein Land spürbar meiden, muss neben der gefühlten Unsicherheit auch eine reale Gefahr bestehen", sagt Reinhardt.

Im Vergleich mit anderen Urlaubsländern schneidet Spanien noch gut ab. Knapp dahinter liegen Kanada, Australien, die Beneluxländer und Griechenland. Irritiert sind die Deutschen dagegen von den Vorgängen in Osteuropa und Amerika: In Ungarn, Polen und den USA fühlt sich nur noch jeder Vierte wohl und sicher.

Für den Gesellschaftsforscher hat das mulmige Gefühl auch mit Wissen zu tun. "Wer über eine formal niedrige Bildung verfügt, zeigt sich in vielen Bereichen des Lebens überdurchschnittlich ängstlich", sagt Reinhardt. Er erklärt dies mit einseitiger Informationsaufnahme und hoher Empfänglichkeit für Schreckensbotschaften. Ein Gegenmittel wäre: Reisen und so den Horizont erweitern.

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