Streit um L'Oréal-Erbe:"Ich bin eine freie Frau"

Die Erbin des L'Oréal-Konzerns Liliane Bettencourt hat fast eine Milliarde Euro verschenkt. Die eigene Tochter will die reichste Frau Frankreichs deshalb entmündigen.

Stefan Ulrich

Der Brief, der da der französischen Presse zugespielt wurde, klingt liebevoll, fast rührend. "Ma chère maman", beginnt ihn Françoise Bettencourt und lässt viele mitfühlende Worte folgen für "die bewundernswerte Frau", an die sich das Schreiben richtet.

Streit um L'Oréal-Erbe: Will von einer Bevormundung nichts wissen: Liliane Bettencourt.

Will von einer Bevormundung nichts wissen: Liliane Bettencourt.

(Foto: Foto: AFP)

Dann kommt die Tochter zur Sache. Sie hält ihrer 87 Jahre alten Mutter Liliane Bettencourt vor, diese sei nicht mehr recht gesund, von ihren wahren Freunden isoliert und von einer schlechten "Entourage" beeinflusst.

"Deine Tochter, die Dich sehr liebt"

Daher habe sie sich gezwungen gesehen, ein Vormundschaftsverfahren einzuleiten, rechtfertigt sich Françoise Bettencourt und schließt: "Deine Tochter, die Dich sehr liebt, ungeachtet all dessen, was wir durchmachen."

Nun passiert es in etlichen Familien, dass Kinder sich um die geistige Gesundheit und auch um das Vermögen ihrer betagten Eltern sorgen. Im Falle dieser Familie aber kommt noch etwas dazu: Liliane Bettencourt ist die reichste Frau Frankreichs und einer der 25 reichsten Menschen der Welt.

Auf 13,4 Milliarden Dollar schätzt das Magazin Forbes ihr Vermögen. Ihr Vater, Eugène Schueller, hatte den Kosmetikkonzern L'Oréal im Jahr 1907 gegründet, sie selbst soll immer noch 27,5 Prozent der Aktien an dem Unternehmen halten.

Die alte Dame fühlt sich gut

Die diskrete, betagte Dame sitzt im Aufsichtsrat, fühlt sich nach eigenen Angaben gut und will von einer Bevormundung nichts wissen. Frühere Versuche ihrer Tochter, sie auf ihre Zurechnungsfähigkeit hin untersuchen zu lassen, wies sie zurück. "Ich bin eine freie Frau", hat sie in einem ihrer sehr seltenen Interviews gesagt. Und dabei will sie es bewenden lassen.

Die Tochter aber glaubt, ihre Mutter vor einem schillernden Herrn schützen zu müssen, dem Fotografen, Romanautor und Schauspieler François-Marie Banier. Der heute 62 Jahre alte Salonlöwe aus der Pariser Prominentenszene pflegte schon früh engen Umgang mit Berühmtheiten wie Salvador Dalí.

In den achtziger Jahren fotografierte er Liliane Bettencourt und gewann ihr Vertrauen. Die Multimilliardärin schätzte den Charme Baniers und seinen Esprit. Der Fotograf habe ihr geholfen, dem konservativen Milieu, das sie als Multimilliardärin umgab, zu entkommen, hat sie einmal geschrieben.

So leistete ihr Banier oft Gesellschaft und begleitete sie auf Reisen. Im Gegenzug schenkte die reiche Dame ihrem Inspirator mal einen Picasso, mal einen Scheck und mal eine Lebensversicherung. Banier sagte, er betrachte die L'Oréal-Erbin als seine Mäzenin.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, womit die schwerreiche Mutter ihrer Tochter nun droht.

Tiefschlag der Tochter

Nun war Liliane Bettencourt stets eine großzügige Frau, die sich nicht damit begnügte, ihre Milliarden zu horten. "Das Vermögen ist ein Glück. Man muss es nutzen, um anderen die Möglichkeit zu geben, etwas zu unternehmen", sagte sie vor einem Jahr dem Magazin des Figaro. Gemeinsam mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann förderte sie Künstler und Wissenschaftler mit etlichen Millionen Euro.

Stattliches Sümmchen

Im Falle Baniers aber ging ihre Großzügigkeit zu weit, findet zumindest ihre Tochter. Zählt man alles zusammen, soll Banier 993 Millionen Euro von seiner Gönnerin erhalten haben - auch in diesen gehobenen Kreisen ein stattliches Sümmchen. Françoise Bettencourt glaubt, dabei könne es nur mit unrechten Dingen zugegangen sein. Deshalb bemüht sie die Gerichte.

Die Tochter der Milliardärin hat zum einen ein Strafverfahren gegen Banier angestoßen. Sie hält dem Fotografen vor, er habe die "körperliche und geistige Schwäche" ihrer Mutter ausgenutzt. Da die alte Dame aber eine Untersuchung verweigert, konnten die Vorwürfe bis jetzt nicht geklärt werden.

Die Staatsanwaltschaft hält die Beweise gegen den charmanten Günstling Banier nicht für ausreichend. Kommende Woche muss ein Gericht in Nanterre entscheiden, ob es zu einem Strafprozess kommt.

"Unanständige Ungeduld" nach vollständiger Macht

Parallel dazu hat Françoise Bettencourt nun in dieser Woche beantragt, ihre Mutter unter "gerichtlichen Schutz" zu stellen. Georges Kiejman, der Anwalt der Mutter, erwiderte, seine Mandantin brauche weder einen Betreuer noch einen Vormund. Der Antrag der Tochter sei ein "Tiefschlag" und zeuge von einer "unanständigen Ungeduld", die Macht bei L'Oréal vollständig zu übernehmen.

Liliane Bettencourt hat die L'Oréal-Aktien ihrer Tochter bereits so weit übertragen, dass diese beim Tod der Mutter automatisch Eigentümerin wird. Nun droht der Anwalt, die gekränkte Milliardärin könne alles wegen "Undankbarkeit" rückgängig machen.

Die Tochter dürfte so etwas geahnt haben. In ihrem Brief an die Mutter schreibt sie: "Höre nicht auf jene, die Dich überzeugen wollen, dass ich schlechte Absichten verfolgen würde. Du bist meine Mama, ich bin Deine einzige Tochter - und im Grunde Deiner Seele weißt Du, dass das (die Anschuldigung) nicht wahr ist."

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