Neun Jahre alt war Jens Pascal, als der Hirntumor sein Leben nahm. Bevor er starb, soll er seiner Mutter einen Herzenswunsch verraten haben: Ein Stein mit dem gelbschwarzen Logo des Ballspielvereins Borussia 09 Dortmund sollte auf seinem Grab stehen. Der BVB war Jens Pascals Leidenschaft. Vergangenes Jahr vor Weihnachten haben ihn einige Profis im Krankenhaus besucht; Trainer Jürgen Klopp trug da ein Weihnachtsmannkostüm. Und so kauften die trauernden Eltern für 1500 Euro eine schwarze Stele mit Klublogo und Fußballkugel, ließen den Borussen-Slogan "Echte Liebe" in Stein meißeln. Jens Pascal liegt nun auf dem Friedhof der katholischen Gemeinde Mariä Heimsuchung, obwohl die Eltern konfessionslos sind. Doch als der Pfarrgemeinderat den Entwurf für den Stein sah, sagte er einstimmig: Nein.
Seitdem tobt der Kulturkampf in Dortmund, via Facebook in der ganzen Welt: Darf die Kirche einem Kind den letzten Wunsch abschlagen? Ein Shitstorm fegt über Mariä Heimsuchung. "Da sieht man, was die Kirche für ein Dreckshaufen ist", schimpft einer auf der Borussia-Fanseite bei Facebook. Einer eigenen Unterstützergruppe haben sich fast 50.000 Nutzer angeschlossen, Dortmund-, Bayern-, Schalke-Anhänger vereint im Kampf für das Recht auf den Fan-Grabstein.
Der Pfarrgemeinderat verteidigt sich: Man wolle nicht "dem letzten Wunsch des jungen Fußballfans im Wege stehen". Doch es handle sich nun einmal um einen katholischen Friedhof, dort seien Grabsteine mit "Inschriften und Darstellungen, welche der christlichen Religion nicht entsprechen", verboten. Das klingt streng und wurde bei den Fußballfans mit Hohn statt mit Ernst aufgenommen. Im Grunde aber treibt das Thema alle Friedhofsverwaltungen um, umso mehr, je stärker sich die Glaubens- und Sinngebäude der Menschen individualisieren, und am Lebensende der Grabstein das Ergebnis dieser Sinnsuche zeigen soll. Was ist erlaubt - und wo ist Schluss?
Schluss ist, kurz gesagt, immer später. In München muss die Würde des Ortes gewahrt bleiben, da bleibt viel Spielraum. In Köln haben Grabsteine schon mal die Form eines Handys; auf dem Südfriedhof erinnern Boxhandschuhe an den Faustkämpfer Peter "de Aap" Müller, im Westen der Stadt mahnt ein gemeißelter Porsche zur Vorsicht - der Tote darunter ist Unfallopfer. In Hamburg immerhin haben sie den Busengrabstein für die Hure Domenica abgelehnt, auch wenn der Entwurf - zwei rosa Marmorkugeln - von Tomi Ungerer stammte. Die christlichen Kirchen, katholisch wie evangelisch, stoßen sich am Trend zu Selbstdefinitionsgrabsteinen auf der einen Seite und anonymen Bestattungen auf der anderen. Unsere Friedhöfe sollen anders sein, sagen sie, mit mehr Zeit für Beerdigungen, aber eben auch mit christlichen Motiven auf dem Stein. Konflikte sind da absehbar.
Am Dienstagnachmittag haben sich dann Vertreter der Kirchengemeinde mit den Eltern getroffen - und einen Kompromiss gefunden. Der Fußball soll unten vor dem Stein auf dem Grab liegen, der Slogan "Echte Liebe" bleibt. Eine Taube wird als Zeichen für den Weg ins Jenseits stehen. Damit könnten alle leben, heißt es am Abend beim Erzbistum Paderborn. Es klingt erleichtert.