Süddeutsche Zeitung

Streit um die Phantom-Mörderin:Dreck am Stäbchen

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Nach der Panne um die Phantom-Mörderin von Heilbronn schieben sich Ermittler und ein Wattestäbchen-Hersteller gegenseitig die Schuld zu. Ein Zertifikat könnte die Firma nun in Bedrängnis bringen.

Takis Würger

Es ist eine der größten Ermittlungspannen in der Geschichte Deutschlands: Seit vergangenem Freitag steht fest, dass die ominöse Phantom-Täterin in Wirklichkeit eine Packerin aus Bayern ist.

Nun streiten sich die Ermittler und ein Wattestäbchen-Hersteller um die Frage der Verantwortung für die Panne. Die Firma sagt, sie habe die Lieferung von DNS-freien Wattestäbchen nie garantiert. Die Ermittler sagen, man habe sich an die Anweisungen gehalten.

Ein Zertifikat könnte den Wattestäbchen-Hersteller Greiner Bio-One International AG mit Sitz in Kremsmünster (Österreich) in diesem Zusammenhang in Bedrängnis bringen: Entgegen öffentlicher Beteuerung hat die Firma darin zumindest teilweise die DNS-Freiheit ihrer Wattestäbchen garantiert. "Bei uns ist fast bei jeder Lieferung von Wattestäbchen ein Qualitätszertifikat mitgeliefert worden. Darin stand, dass die Stäbchen DNS-frei sind", sagte Gerald Tatzgern, der Pressesprecher des österreichischen Bundeskriminalamts.

Vergangenen Freitag hatte das baden-württembergische Landeskriminalamt einräumen müssen, dass die seit langem gesuchte vermeintliche Phantom-Mörderin nicht existiert. Die Ermittler stellten an 40 verschiedenen Tatorten die DNS-Spur der geheimnisvollen Serientäterin fest. Mittlerweile ist klar: Das Phantom kommt aus Bayern und arbeitet hauptberuflich als Verpackerin.

Das ist das Ergebnis einer Suche, an der die Sonderkommission Parkplatz der Heilbronner Polizei fast zwei Jahre lang mit 30 Mann gearbeitet hat. Die Beamten häuften rund 16.000 Überstunden an und prüften 3700 Spuren.

Kurz nachdem die Panne bekannt wurde, wies die Greiner Bio-One die Verantwortung für die Panne klar von sich: Am vergangenen Freitag gab Geschäftsführer Heinz Schmid an, die Wattestäbchen seien nicht für polizeiliche Ermittlungen gedacht. Aus dem Katalog gehe klar hervor, dass die Laborwattestäbchen "sich nicht für molekularbiologische Untersuchungen eignen". Man habe nie behauptet, Stäbchen zu liefern, die frei von fremder DNS sind. Dies gehe eindeutig aus der Gebrauchsanweisung hervor.

Dem widerspricht ein Qualitätszertifikat von Greiner Bio-One, das sueddeutsche.de vorliegt. Die Firma hat das Dokument der österreichischen Polizei zusammen mit Wattestäbchen geliefert. Darin steht: "Mittels quantitativer PCR ( Polymerase Chain Reaction, eine Methode, bei der die Erbsubstanz DNS vervielfältigt wird, Anm. d. Red.) werden unsere Produkte untersucht. Wir garantieren DNase, RNase- und DNA-Freiheit." Damit sind die gelieferten Wattestäbchen geeignet für molekularbiologische Untersuchungen, also auch zum Ziehen von DNS-Proben. Inwiefern es sich bei der Lieferung an die österreichische Polizei um die gleichen Wattestäbchen handelt, die die deutschen Ermittler bei der Spurensicherung benutzt haben, ist noch unklar.

Eine Pressesprecherin von Greiner Bio-One jedenfalls kann den Widerspruch zu den Aussagen des Geschäftsführers auf Anfrage nicht erklären: Sie könne nicht sagen, ob die Wattestäbchen als DNS-frei erklärt wurden oder nicht, sagt sie im Gespräch mit sueddeutsche.de. "Ehrlich gesagt, weiß ich es selber nicht." Und weiter: "Wir prüfen das."

Molekularbiologen und Rechtsmediziner sind sich einig, dass es unmöglich ist, ein DNS-freies Laborwattestäbchen herzustellen: "Auch auf Wattestäbchen, die angeblich steril sein sollen, finden wir immer wieder DNS-Spuren. Offensichtlich ist es nicht möglich, da wirklich sauber zu arbeiten", sagte Michael Tsokos, der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Berliner Charité im Gespräch mit sueddeutsche.de: "Sterile Wattestäbchen gibt es nicht."

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat inzwischen eine Prüfung des Vorwurfs angekündigt, wonach die Herstellerfirma bei den Wattestäbchen falsche Angaben gemacht hat. "Wir haben einen Beobachtungsvorgang eingeleitet", sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Die Behörde prüfe, ob es Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht gebe.

Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) hat der Firma bereits vergangene Woche mit einer Schadensersatz-Klage gedroht. Am vergangenen Freitag erklärte Greiner Bio-One Geschäftsführer Schmid noch, dass er einer solchen Klage gelassen entgegensehe. Das könnte sich jetzt ändern.

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