Streit um Denkmal für Helmut Kohl:Out of Oggersheim

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Dresden ist gespalten: Helmut Kohl soll auf dem Neumarkt ein Denkmal erhalten - Kritiker finden die Rolle des Altkanzlers aber gar nicht historisch: Sie beklagen Geschichtsklitterung zu Ungunsten der Bürgerbewegung.

Christiane Kohl

Im Internet wird bereits heftig diskutiert: ein Denkmal für den einstigen Bundeskanzler Helmut Kohl auf dem Dresdner Neumarkt? Die Blogs beben vor kritischen Kommentaren. Da wird das bekannte Kohl-Zitat von den "blühenden Landschaften" bemüht - sicher könne man den Kanzler mittels "ein paar Kohlpflanzen" in einer Grünanlage darstellen. Ein Denkmal mit Büste und Konterfei jedenfalls sei allenfalls gut für ein tägliches "Pranger-Event": zu bewerfen mit "wechselnden Gammelgemüsesorten".

Wichtig ist, was hinten rauskommt: Der Kanzler der BRD, Helmut Kohl, lässt sich bei einem Treffen mit DDR-Ministerpräsident Hans Modrow (li.) am 19. Dezember 1989 in Dresden feiern. Die Mauer ist vor wenigen Wochen gefallen. (Foto: AP)

Längst haben Witzbolde eine Fotomontage ins Netz gestellt: Es zeigt das Konterfei des Exkanzlers auf der Statue des Reformators Martin Luther, die tatsächlich auf dem Neumarkt steht. Statt der Bibel hält die Figur allerdings "Das Kapital" von Karl Marx in der Hand. Warum "Das Kapital"?, fragt ein Blogger und empfiehlt: "Besser wäre doch wohl ein Scheckbuch mit der Aufschrift 'Kohle'".

Ein CDU-Vorschlag hat die Dresdner Blogger rebellisch gemacht: Die Christdemokraten wollen "eine Denkmalstätte" für den Ex-Kanzler auf dem Neumarkt errichten. Damit soll Kohl geehrt werden für einen Auftritt in Dresden im Dezember 1989, bei dem er sich, wenn auch noch vorsichtig, für die deutsche Wiedervereinigung aussprach.

Anfang März soll das Dresdner Stadtparlament über den CDU-Vorschlag entscheiden. Was genau vorgesehen ist, scheint unklar zu sein: "Es geht keinesfalls um einen in Stein gemeißelten Kohl", sagt Jens Genschmer (FDP), der das Denkmal befürwortet, "eher schon um eine Stele oder eine Gedenktafel".

"Da wird Geschichtsklitterung betrieben"

Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) will das Projekt in Kürze angehen. Dabei ist es in der sächsischen Landeshauptstadt höchst umstritten: "Da wird Geschichtsklitterung betrieben", meint etwa die Grünen-Abgeordnete Ulrike Hinz. Wenn irgendwem ein Denkmal auf dem Dresdner Neumarkt gebühre, dann den Bürgern, die "auf der Straße die Wende herbeidemonstriert haben".

Der Neumarkt gehört zu jenen Orten in der Bundesrepublik, die besonders vom Atem der deutschen Geschichte umweht zu sein scheinen: Ob Krieg oder Teilung, Widerstand gegen die DDR-Machthaber oder eben die Wiedervereinigung - der Platz hat einiges erlebt. Hier sank die brennende Frauenkirche in sich zusammen, Jahrzehnte später sammelten sich vor der Ruine die ersten Aktivisten der DDR-Friedensbewegung.

Und dann gab es, am 19. Dezember 1989, noch die Rede des damaligen Kanzlers Helmut Kohl, um die es jetzt geht. Der CDU-Stadtrat Stefan Kieslich kann sich noch genau daran erinnern, mit damals 15 Jahren stand er als Sängerknabe auf dem Platz, wo sich fast 50.000 Menschen versammelt hatten.

Die "Kapellenknaben" der katholischen Hofkirche waren auf Wunsch des Westbesuchers vor den Steinhaufen der Frauenkirche postiert worden, um mit christlichen Liedern die Stimmung zu dämpfen, falls diese überschäumen würde.

"Wir sollten 'Nun danket alle Gott' singen", erinnert sich Kieslich. Dazu kam es nicht. Stattdessen riefen die Massen "Wir sind ein Volk", und Kohl sagte, sein Ziel sei und bleibe "die Einheit unserer Nation - wenn die geschichtliche Stunde es zulässt". Für Kieslich, heute 36, war dies der "Moment, als der Kalte Krieg beendet wurde". Die Grüne Ulrike Hinz, 64, aber erinnert sich, dass sie sich regelrecht geschämt habe auf dem Platz. Viele hätten "Kohl wie einem Erlöser zugejubelt".

"Hier wird Gott geehrt - und niemand sonst"

So unterschiedlich können Erinnerungen sein. Ulrike Hinz war eine Aktivistin der ersten Stunde, schon 1982 stand sie mit Kerzen vor der Ruine der Frauenkirche, als unter dem Slogan "Schwerter zu Pflugscharen" die DDR-Friedensbewegung ins Leben gerufen wurde. Im Oktober 1989 gehörte sie zur "Gruppe der 20", Dresdner Bürgern, die nach gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei ein Gespräch mit den SED-Machthabern in Dresden erzwangen.

Die Gründung der Gruppe am 7. Oktober 1989, meint Hinz heute, sei in Dresden der Wendepunkt gewesen, nicht die Rede von Kohl, die, glaubt Hinz, "mit viel Kalkül gehalten wurde". Schließlich sei der Kanzler noch Tage vor dem Ereignis bei einem Auftritt in Ostberlin ausgebuht worden.

Auch die Linkspartei ist gegen eine Kohl-Gedenkstätte. Dass sie heute "ausgerechnet von einer früheren Blockpartei" gefordert werde, "entbehrt nicht einer gewissen Ironie", meint der Dresdner Linke-Chef André Schollbach in Anspielung auf den sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, der damals noch in einem DDR-Rat des Kreises saß.

So hat der Denkmalvorschlag eine Geschichtsdebatte in Dresden ausgelöst. Schon einmal gab es da Aufruhr um Kohl: Vor zwei Jahren hatten CDU und FDP vorgeschlagen, ihn zum Ehrenbürger zu machen, was nach heftigem Widerstand begraben wurde. Mit dem Denkmal dürfte es anders sein: Hier geht es auch darum, einen Fördertopf anzuzapfen, der nur bis 1.März zur Verfügung steht.

Einige Denkmäler zur friedlichen Revolution wurden daraus schon finanziert, Dresden will nun auch dabei sein. Probleme bereitet nur der Ort: Kieslich möchte eine Tafel an der Frauenkirche anbringen. Doch dort ist man skeptisch: "Dies ist ein Gotteshaus", sagt Pfarrer Sebastian Feydt, "hier wird Gott geehrt" - und niemand sonst.

© SZ vom 22.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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