Streit um Aussteiger:Scientology schlägt zurück

Eine Hamburger Sektenbeauftragte kämpft mit Scientology. Die Glaubensgemeinschaft hat sie verklagt, weil sie zu viel über zwei minderjährige Aussteiger erzählt haben soll.

Constanze von Bullion

Wer sich mit der Organisation Scientology anlegt, ist gut beraten, einen kratzbürstigen Anwalt zu nehmen. Die Anhänger des Science-Fiction-Autors Ron Hubbard haben es nicht gern, wenn man Schlechtes über sie verbreitet. In Deutschland beklagen sie ein feindseliges Klima, und besonders viel Ärger bereitet dem Verein eine Frau, die Ursula Caberta heißt.

Ehemalige Scientology Zentrale in Hamburg, AP

Die ehemalige Scientology Zentrale in Hamburg

(Foto: Foto: AP (Archivbild, 1997))

Sie ist eine energische Dame von 56 Jahren, und wenn sie lacht, hört sich das an, als könnte sie mit einem Atemzug drei Aktenordner vom Tisch pusten. Ursula Caberta ist Sektenbeauftragte der Hamburger Senats, sie leitet die Arbeitsgruppe Scientology, und man hat sie jetzt verklagt. Mal wieder.

Caberta soll nicht mehr sagen, was sie Journalisten erzählt: dass in ihrer Hamburger Beratungsstelle für Scientology-Aussteiger zwei junge Leute untergekrochen sind, die offenbar raus wollen aus der Organisation. Es geht um eine 14 Jahre alte Berliner Gymnasiastin und ihren elf Jahre älteren Stiefbruder.

Ihre Eltern seien Scientologen, die Mutter des jungen Mannes bekleide eine Spitzenfunktion in der Scientology-Zentrale in Berlin, sagt Caberta. Wenn stimmt, was sie sagt, haben die Jugendlichen in einem Brief den Austritt aus Scientology erklärt.

Eltern verhandeln mit Jugendamt

Es geht also nicht nur um einen privaten Familienkrach, sondern um die öffentlich begleitete Abkehr von einer Glaubensgemeinschaft. Den Anstoß dazu habe der Bruder gegeben, sagt Caberta. "Er hat die Entscheidung als erster getroffen." Die Schwester wiederum weigere sich, auf ein Scientology-Internat in Dänemark zu gehen.

Weil sie minderjährig ist, verhandeln die Eltern jetzt in Hamburg mit dem Jugendamt. Das Mädchen fürchtet offenbar auch, von ihrem Stiefbruder getrennt zu werden. Wer in der Welt der Scientologen als potential trouble source gelte, als potentielle Quelle von Ärger, den versuche die Organisation zu disziplinieren, notfalls ergeht der Trennungsbefehl, erklärt die Sektenbeauftragte.

Geht die Schwester also ohne Bruder zurück und bleiben die Eltern konsequent, könnten die Geschwister auseinander gerissen werden. Die Sprecherin von Scientology Berlin, Sabine Weber, weist es zurück, dass Kinder von Scientologen unter Druck gesetzt würden. Die Berichte seien "haarsträubend", die Eltern hätten "angebliche Details" auch erst aus der Zeitung erfahren.

Sie strengen nun eine Unterlassungsklage gegen die Sektenbeauftragte an. Eine Strafanzeige soll womöglich folgen. "Es wird darum gehen, dass Frau Caberta ihre Schweigepflicht verletzt hat", sagt Weber. Wenn das Kind einer beliebigen Familie zum Jugendamt gehe, weil es daheim Ärger habe, sei das Amt zum Stillschweigen verpflichtet. Weil es aber um Scientology gehe, glaube man, sich darüber hinwegsetzen zu können. Das sei rechtswidrig.

Scientologin ist relative Person der Zeitgeschichte

Der Berliner Prominentenanwalt Christian Schertz sieht das anders. "Ich kann nicht erkennen, dass Persönlichkeitsrechte verletzt werden, so lange die Jugendlichen nicht identifizierbar sind", sagt er. Wenn weder Namen noch Fotos der Jugendlichen publiziert würden, sei die Bekanntmachung des Konflikts erlaubt.

Es gehöre sogar zur Fürsorgepflicht des Staates, solche Fälle zu veröffentlichen. "Wenn Kinder einer Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachten wird, Schutz suchen, dann ist das eine im höchsten Maße öffentliche Angelegenheit."

Wenn die Mutter des jungen Mannes eine führende Position bei Scientology bekleidet, ist sie eine "relative Person der Zeitgeschichte". Solche Personen müssten mit mehr öffentlicher Anteilnahme leben als der Rest der Welt.

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