Süddeutsche Zeitung

Streit über "Lebensmittel-Pranger":Richter stoppen Gastro-Ampel in NRW

  • Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat die sogenannte Gastro-Ampel als unzulässig eingestuft. Die Warnfunktion der Ampel mit den Farben Grün, Gelb und Rot könne nicht konkreten Tatsachen zugeordnet werden, so die Begründung.
  • Vier Gastronomen hatten gegen das vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Pilotprojekt geklagt. Die Gastro-Ampel zeigt den hygienischen Zustand eines Restaurants auf Basis der Ergebnisse von Betriebskontrollen.

Alles im grünen Bereich, in Duisburg - das ist zumindest der Eindruck, der beim ersten Betrachten des Gastro-Kontrollbarometers entsteht. Ob Altstadt, Neudorf oder Dellviertel, überall wehen grüne Fähnchen. Hier kann der Duisburger seinen Hunger stillen, ohne sich Gedanken über mangelnde Hygiene in der Restaurantküche machen zu müssen. Erst bei genauerem Hinsehen lassen sich vereinzelt gelbe Stellen auf der Karte entdecken. Mit Verdichtungen zum Beispiel in Marxloh oder rund um den Meidericher Bahnhof. Die Aussage: Hier wurden die Anforderungen der Lebensmittelkontrolleure nicht ausreichend erfüllt.

Seit gut einem Jahr gibt die Stadt Duisburg die Ergebnisse ihrer Lebensmittelkontrollen an die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen weiter. Diese hat daraus eine "Gastro-Ampel" gemacht. Im Netz können sich Hungrige darüber informieren, ob ein Restaurant, ein Imbiss oder Café die Anforderungen der Lebensmittelkontrolleure erfüllt oder nicht. Zusätzlich zu den Fahnen gibt es ein Punktesystem, das die exakte Zahl der Minuspunkte zeigt, die wegen Beanstandungen in einem bestimmten Betrieb vergeben wurden.

Das Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts

Damit soll nun bald Schluss sein. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat die Gastro-Ampel als unzulässig eingestuft. Die Warnfunktion mit den Farben Grün, Gelb und Rot könne nicht konkreten Tatsachen zugeordnet werden, befand das Gericht (Az.: 26 K 4876/13).

Vier Gastronomen hatten gegen das vom Land Nordrhein-Westfalen mit etwa 180 000 Euro geförderte Pilotprojekt geklagt. "Der Verbraucher wird davor gewarnt, einen Betrieb zu betreten, weiß aber gar nicht warum", kritisierte der Vorsitzende Richter Norbert Chumchal.

Gastronomen beklagten sich schon länger über den "Gastro-Pranger"

Immer wieder hatten Gastronomen die Ampel oder den "Gastro-Pranger", wie das Bewertungssystem bei Kritikern heißt, kritisiert. Das Kontrollbarometer sei irreführend, beklagt der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), es werde nicht zwischen Hygiene-Mängeln, formalen Fehlern des Gastwirts oder Baumängeln unterschieden.

Duisburg ist - gemeinsam mit Bielefeld - Vorreiter in Sachen Gastro-Kontrollbarometer, das eigentlich in ganz Nordrhein-Westfalen eingeführt werden sollte. Bislang wurden nur die Daten von Gastronomiebetrieben weitergegeben, die keinen Widerspruch eingelegt hatten, 770 Betriebe in Duisburg waren dabei, 500 in Bielefeld. Das erklärt wohl auch die wenigen gelben und roten Fahnen auf der Karte: In Duisburg fallen weit mehr als 90 Prozent der Gaststätten in den grünen Bereich, 59 Gaststätten wurden als gelb eingestuft, ein rotes Fähnchen steht nur bei einem einzigen Betrieb.

Bei einer Zwischenbilanz im Januar hatten bereits 25 000 Nutzer die "Gastro-Ampel"-App heruntergeladen.

Bundesweit kaum öffentliche Gastro-Bewertung

Seit 2012 ist im Verbraucherinformationsgesetz festgehalten, dass Rechtsverstöße nicht als Geschäftsgeheimnisse gelten. Die Ämter dürften demnach die Namen von Betrieben nennen, wenn diese Lebensmittel verkaufen, in denen Grenzwerte bedenklicher Stoffe überschritten werden. Ebenso bei Hygieneverstößen, für die Bußgeld in Höhe von mindestens 350 Euro verhängt wurde. Doch die obersten Verwaltungsrichter mehrerer Bundesländer haben die Regelungen 2013 für nicht verfassungskonform erklärt.

Die Begründung: Es sei nicht garantiert, dass Verstöße schnell aus dem Netz verschwänden, wenn Wirte die Missstände beseitigten. Zudem sei die die Relevanzschwelle von 350 Euro zu unbestimmt - weil sie unabhängig von der Art der Vergehen gelte. Bundesweit haben deshalb mehrere Städte, darunter München, ihre Bewertungslisten wieder aus dem Netz nehmen müssen. Jetzt ist auch das Duisburger Modell vorerst gescheitert.

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