Süddeutsche Zeitung

Streit im Hause L'Oreal:Das Geschenk der alten Dame

Lesezeit: 2 min

Die 86-jährige L'Oreal-Erbin vermacht einem Fotografen eine Milliarde Euro. Ihre Tochter hat jetzt die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Gerd Kröncke

Madame ist auf Reisen und mag sich nicht äußern. Überhaupt ist Liliane Bettencourt sehr diskret. Als Erbin des L'Oreal-Kosmetik-Konzerns war die Milliardärin nie geizig, hat als Philanthropin die schönen Künste und die guten Werke anderer gefördert und hatte immer clevere Berater, die dafür sorgten, dass ihr Vermögen nicht schrumpfte. Mit geschätzten 23 Milliarden Euro wird sie vom Magazin Forbes als reichste Frau in Frankreich eingestuft und nimmt unter den zwei Dutzend reichsten Menschen der Welt einen guten Mittelplatz ein.

Von all dem schönen Geld will sie nun offenbar dem Fotografen François-Marie Barnier etwas abgeben. Die atemberaubende Summe von einer Milliarde Euro soll sie, wie französische Blätter berichten, dem Lichtbildner geschenkt haben.

Ihre Tochter aber, Françoise Bettencourt Meyers, 55 Jahre alt, macht sich Sorgen um die alte Dame, fürchtet, dass sie nicht mehr ganz beieinander und im Begriff ist, die Kontrolle über ihr Vermögen zu verlieren. Sie hat die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Madame Bettencourt, 86 Jahre alt, Tochter des Konzerngründers Eugène Schueller, hält noch immer 27,5 Prozent der Aktien und sitzt im Verwaltungsrat von L'Oreal. Ihr Mann ist voriges Jahr gestorben, André Bettencourt gehörte zu den wichtigen Männern der Republik, war in der Übergangsphase von Charles de Gaulle auf Georges Pompidou für kurze Zeit Minister gewesen.

Wie kommt Liliane Bettencourt dazu, dem Künstler François-Marie Barnier so viel Geld zu schenken? Barniers Aufnahmen von Prominenten sind gefällig, schön anzusehen. Er gilt als Mitglied dessen, was man früher den Jetset nannte, ist mit mancherlei Stars befreundet, ein Charmeur.

Liliane Bettencourt hingegen ist von ebenso großer Zurückhaltung wie Großzügigkeit. Ihre Stiftung Bettencourt Schueller fördert die Forschung und die schönen Künste, hat ein Budget von 180 Millionen Euro - Madame Bettencourt ist die einzige Geldgeberin der größten privaten Stiftung Frankreichs.

Mit den Jahren hat sie Barnier wohl als eine Art Adoptivsohn akzeptiert. Weder der Fotograf noch seine Anwälte wollen sich zu der Schenkung äußern; sie lassen nur anklingen, dass die Berichte übertrieben seien. Barnier betrachtet die alte Dame als seine Mäzenatin. Auch ihre Anwälte schweigen sich aus. Aber die Tochter sorgt sich, ihre Mutter könnte ausgenützt werden.

In aller Ehrerbietung war die alte Dame von Vertretern der Staatsanwaltschaft in ihrem Domizil im vornehmen Neuilly sur Seine aufgesucht worden. Sie hat sie höflich wieder ziehen lassen. Eine Untersuchung über ihren Gesundheitszustand lehnt sie ab.

So bleibt nur eines ihrer überaus seltenen Interviews, das sie neulich dem Figaro gab: "Wenn man im Leben viel bekommen hat, muss man auch abgeben. Einfach geben, ohne jede Berechnung und ohne an Gewinn zu denken."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.359166
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.12.2008/hai
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.