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Strauss-Kahn stolpert über Details der Callgirl-Affäre:Vom Verlust der Leichtigkeit

Vom mächtigen IWF-Chef zum einsamen Mann: Die Medien weiden sich an Strauss-Kahns Fall, während immer neue Details aus den Ermittlungen im Prostitutionsskandal von Lille bekannt werden. Der Politiker wehrt sich gegen Scheidungsgerüchte - und pocht darauf, bald aussagen zu dürfen.

Der Mann mit dem grauen Vollbart und den Augenringen ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Dominique Strauss-Kahn hat im November 2011 nur noch wenig gemeinsam mit dem brillanten Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), der er bis vor genau einem halben Jahr war.

Dabei sah es nach der Rückkehr des 62-Jährigen Anfang September nach Frankreich noch so aus, als ob DSK zumindest als viel gefragter Experte für Finanzfragen eine Art Comeback erleben könnte. Doch Anfang Oktober kam die Affäre um einen Callgirl-Ring in Nordfrankreich hoch, in die der frühere Hoffnungsträger der französischen Sozialisten verwickelt sein soll.

Seither tauchen immer neue pikante Details aus dem Privatleben des 62-Jährigen in den Zeitungen auf. "Ich nehme eine Kleine mit in die Nachtclubs von Wien", soll Strauss-Kahn laut Libération in einer SMS an den Unternehmer Fabrice Paszkowski geschrieben haben, der Sex-Partys für ihn organisiert haben soll. Der Sozialist, der schnell in der Sache vernommen werden will, sprach von "medialer Lynchjustiz". Vorwürfe, in die Callgirl-Affäre verwickelt zu sein, dementierte er und kündigte zusammen mit seiner Frau "juristische Schritte" gegen die Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses und des Privatlebens an.

Zuvor war auf der Titelseite der Zeitung Le Parisien ein Bild des unrasierten früheren IWF-Chefs erschienen, versehen mit der Überschrift "DSK - ein isolierter Mann". Als Erster hatte der frühere Regierungschef Michel Rocard Strauss-Kahn Ende August als "krank" bezeichnet und damals noch viel Kritik geerntet. Strauss-Kahn selbst hatte nach seiner Rückkehr in einem Fernsehinterview noch von seiner früheren "Leichtigkeit" gesprochen, die er für immer verloren habe.

"Ich war der Erste, der es aussprach, aber alle haben es gedacht", sagte Rocard am Montag im Radio und beteuerte gleichzeitig: "Dominique ist einer meiner Freunde." Davon hat Strauss-Kahn inzwischen nur noch wenige. Von den Sozialisten, die anfangs noch zu ihm hielten, bleiben ihm kaum noch Weggefährten. Er sei ein "Freund, mit dem ich nicht unbedingt in Urlaub fahren würde", wand sich der Bürgermeister von Lyon, Gérard Collomb, im Parisien um ein klares Bekenntnis herum.

Szenen einer Ehe

Unklar ist, wie sich nun Strauss-Kahns Ehefrau Anne Sinclair verhalten wird, die während des New Yorker Strafverfahrens stets Hand in Hand mit ihrem Mann auftrat. In mehreren Zeitungen hieß es unter Berufung auf Vertraute, eine Trennung des seit 20 Jahren verheirateten Paares sei kein Tabu mehr. Noch 2008 hatte die 62-Jährige nach Bekanntwerden eines Verhältnisses des damaligen IWF-Chefs mit einer Mitarbeiterin in ihrem Blog geschrieben: "Wir lieben uns wie am ersten Tag."

Als DSK dann im Mai wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung am New Yorker Flughafen festgenommen wurde, erklärte Sinclair: "Ich glaube keine Sekunde lang den Anschuldigungen, die gegen meinen Mann erhoben werden." Stiller wurde die beliebte Fernsehmoderatorin dann, als die Journalistin und Autorin Tristane Banon Strauss-Kahn in Frankreich beschuldigte, während eines Interviews über sie hergefallen zu sein "wie ein brünftiger Schimpanse". Die Staatsanwaltschaft verzichtete im Oktober wegen Verjährung auf ein Ermittlungsverfahren, erkannte aber einen "sexuellen Angriff" an.

Angesichts immer neuer Vorwürfe, die gegen ihn laut werden, geht Strauss-Kahn zum Gegenangriff über. Am 8. Dezember soll ein Buch des Journalisten Michel Taubman erscheinen, in dem Strauss-Kahn seine Version der Ereignisse der Begegnung mit dem New Yorker Zimmermädchen schildern will. Das Buch über die "Affären von DSK" bekommt sogar noch ein Extra-Kapitel, in dem Taubman laut Parisien auch die Callgirl-Affäre aufarbeitet.

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Quelle:
sueddeutsche.de/Christine Longin, AFP/leja/inku
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