Süddeutsche Zeitung

Missbrauch in der Familie:"Das Böse saß immer mit am Tisch"

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Wegen des sexuellen Missbrauchs seiner drei Enkeltöchter verurteilte das Landgericht Stralsund einen 76-Jährigen zu fünf Jahren Haft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich der Großvater über mehrere Jahre hinweg an den heute neun, zwölf und 14 Jahre alten Mädchen verging. Die Jüngste war sechs, als die Übergriffe begannen. "Er hat sich aus einem Pool seiner Enkel bedient", umriss der Vorsitzende Richter Olaf Witt in seiner Urteilsbegründung das Vorgehen des Mannes. Einen Enkelsohn ließ er aufpassen. Eine jüngere Enkelin blieb verschont.

Der Angeklagte äußerte sich in dem Prozess nicht, bestritt aber seinem Verteidiger zufolge die Vorwürfe. Deshalb mussten die Mädchen unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor Gericht aussagen und noch einmal erzählen, was der Opa, den sie eigentlich liebten, ihnen angetan hatte. Ursprünglich waren ihm 58 Taten zur Last gelegt worden. 21 davon sahen die Strafkammer als belegt an, in vier Fällen hat es sich demnach um schweren sexuellen Missbrauch gehandelt.

Die Staatsanwältin skizzierte am letzten Verhandlungstag die Aussagen der Enkelinnen. Das mittlere Mädchen sagte demnach vor Gericht, sie habe nicht gewusst, dass das, was der Opa tat, verboten sei. Erst, als sich das jüngste der drei missbrauchten Kinder dem 42-jährigen Vater anvertraute, habe der Strafanzeige gegen seinen eigenen Vater gestellt. Offenbar hatte das schulische Präventionsprojekt "Mein Körper gehört mir" damit zu tun, dass sich das Mädchen den Eltern überhaupt mitteilte.

Wie der Richter in seiner Urteilsbegründung sagte, sei der Großvater in den Augen der Kinder eine Mischfigur gewesen. "Das Böse saß immer mit am Tisch", sagte der Richter. Die Schwestern hätten ein "eigentlich gutes Verhältnis" zu den Großeltern gehabt. Der Großvater habe auf perfide Weise das Vertrauen der Kinder ausgenutzt, sagte eine Anwältin der Nebenkläger. Die Mädchen litten seither unter Albträumen und Schlafstörungen, brauchten psychologische Behandlung.

"Mein Vater ist er nur noch auf dem Papier"

Der Mann stand 1987 schon einmal vor Gericht. "Wegen des gleichen Delikts", sagte sein Sohn, der Vater der drei Opfer, nach der Urteilsverkündung. Damals habe sich sein Vater an seinen eigenen Töchtern vergangen. Er habe nicht geglaubt, dass er als Großvater so etwas noch einmal machen würde. Die Ostsee-Zeitung zitiert den 42-Jährigen, die Vorfälle von damals seien in der Familie immer unter den Teppich gekehrt worden. Dennoch habe er ihm vertraut. "Was er meinen Kindern und meinen Schwestern angetan hat, das werden sie ihr ganzes Leben mit sich tragen", sagte der Vater der Mädchen. "Mein Vater ist er nur noch auf dem Papier."

Die Strafe aus DDR-Zeiten ist verbüßt, der 76-Jährige stand jetzt daher als nicht vorbestraft vor Gericht. Dies und sein hohes Alter rechnete ihm das Gericht als strafmildernd an. Möglicherweise komme er nicht mehr lebend aus der Haft, sagte Richter Olaf Witt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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