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Strafvollzug - Düsseldorf:Große Koalition will psychisch kranken Gefangenen helfen

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Psychisch kranke Strafgefangene sollen in Nordrhein-Westfalen bald deutlich besser psychiatrisch versorgt werden. Dafür zeichnet sich im nordrhein-westfälischen Landtag eine große Koalition ab. CDU, FDP, SPD und Grüne haben sich auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt. Dieser soll bei der kommenden Sitzung des Parlaments eingebracht werden, teilte ein Sprecher der SPD-Fraktion mit.

Das derzeitige Angebot sei unzureichend und genüge nicht der staatlichen Fürsorgepflicht für die Gefangenen, heißt es in dem Antrag. Die Landesregierung soll daher den Auftrag bekommen, die ambulante psychiatrische Versorgung zu verbessern. Bis Ende 2021 sei zudem ein Konzept für den Ausbau der Bettenzahl in der psychiatrischen Abteilung des Justizvollzugskrankenhauses Fröndenberg vorzulegen.

Wenn das Pilotprojekt "Telemedizin" erfolgreich sei, sollte diese Möglichkeit auch für psychisch kranke Gefangene landesweit angewendet werden. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) hat die parteiübergreifende Initiative bereits begrüßt.

Der Anteil psychischer Erkrankungen unter den Gefangenen sei weitaus höher als in der Allgemeinbevölkerung, heißt es im Antrag weiter. Seit Jahren werde zudem ein Anstieg in den Gefängnissen beobachtet. In einigen Anstalten gebe es dennoch nicht einmal ein umfassendes Therapieangebot für Suchtkranke.

Nach dem tödlichen Brand im Gefängnis von Kleve, bei dem der unschuldig inhaftierte Syrer Amad A. ums Leben kam, hatte eine Expertenkommission den Strafvollzug untersucht. Sie kam 2019 zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Situation im Umgang mit behandlungsbedürftigen psychisch kranken Gefangenen "bedrückend ist und dringender Verbesserung bedarf".

Dringend behandlungsbedürftige Inhaftierte würden oft Monate und teilweise über ein Jahr auf einen Platz im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg warten. Der Umgang mit ihnen sei völlig unzureichend.

"Da sitzen akut behandlungsbedürftige psychisch kranke Menschen monatelang in besonders gesicherten Hafträumen. Menschen, die erkennbar völlig außer sich sind", hatte Ex-Gefängnischef Michael Skirl berichtet. "Menschen mit akuten Psychosen, mit Paranoia." Dies sei auch für die Bediensteten, die sie den ganzen Tag beobachten müssten, ohne helfen zu können, eine große Belastung, "von den Betroffenen ganz zu schweigen".

Von ursprünglich landesweit 60 stationären psychiatrischen Behandlungsplätzen stünden tatsächlich gerade einmal 14 bis 18 Plätze zur Verfügung, hatte die Kommission gerügt. Gebraucht würden aber 160 Plätze - das Zehnfache des damaligen Angebots.

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