Süddeutsche Zeitung

Strafrechtsreform:Vatikan verschärft Verfolgung von Kindesmissbrauch

Sexueller Missbrauch von Kindern und Kinderpornografie sind im Vatikan jetzt weitaus präziser als Straftaten gefasst. Papst Franziskus passt die teilweise veraltete Justiz im Kirchenstaat internationalen Standards an.

Kindesmissbrauch im Vatikan und in der Römischen Kurie wird künftig schärfer geahndet. Wie der Heilige Stuhl mitteilte, hat Papst Franziskus ein Dekret unterzeichnet, wonach alle Straftraten gegen Minderjährige verfolgt werden sollen, vom Herunterladen kinderpornografischer Inhalte aus dem Internet bis zum sexuellen Missbrauch. Auch die Regeln des Vatikan zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Terrorismus wurden überarbeitet.

Franziskus gab in Rom ein Apostolisches Schreiben heraus, das zusammen mit drei Gesetzen die weitreichende Reform einführt. Sie folgt internationalen Konventionen und listet jetzt vor allem den Verkauf und die Prostitution von Kindern, sexuelle Gewalt gegen sie und Kinderpornografie weitaus präziser als bisher als Straftatbestände auf.

Das Schreiben des Papstes sorge dafür, dass diese neuen Gesetze der Pontifikalkommission für den Vatikanstaat auch am Heiligen Stuhl anwendbar seien, erklärte der Vatikan. Franziskus setzte damit die von seinem Vorgänger Benedikt XVI. eingeleiteten Maßnahmen fort, um den Kirchenstaat in Einklang mit dem Völkerrecht zu bringen.

Mit der Strafrechtsreform werden zudem neue Straftatbestände eingeführt wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter Völkermord und Apartheid, sowie Folter und rassistische Diskriminierung. Lebenslange Haftstrafen werden abgeschafft. Die Höchststrafe liegt künftig bei 35 Jahren Gefängnis.

Delikte sollen nicht nur verfolgt werden, wenn sie innerhalb der Mauern des Vatikan begangen werden. Die neuen Regeln, die am 1. September in Kraft treten, gelten für alle Mitglieder, Vertreter und Beschäftigte der Organe des Heiligen Stuhls, auch im Ausland.

Konsequenz aus Vatileaks-Skandal

Das bisher geltende Strafrecht des Vatikan stammte zum Teil noch aus dem Jahr 1929. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen sind auch das Ergebnis des sogenannten Vatileaks-Skandals aus dem vergangenen Jahr. Der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele hatte geheime Papiere kopiert und aus dem Vatikan geschmuggelt. Auch Geheimnisverrat soll künftig stärker geahndet werden. Gabriele, der später begnadigt wurde, hatte nur wegen Diebstahls verurteilt werden können.

Am Montag hatte ein UN-Ausschuss für die Rechte von Kindern in Genf eine Liste von Fragen veröffentlicht, über die der Kirchenstaat "wenn möglich" vor dem 1. November Auskunft geben soll. Der Vatikan solle über alle Fälle von Kindesmissbrauch durch Geistliche, Ordensbrüder und Ordensschwestern berichten, hieß es. Zu den Fragen zählt auch, welche Maßnahmen der Kirchenstaat ergriff, um mutmaßliche Täter von Kindern fernzuhalten und den Opfern beizustehen.

Papst Franziskus hatte im April dazu aufgerufen, "entschlossen" gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche einzuschreiten. Sein Vorgänger Benedikt war der erste Papst, der sich bei den Opfern von Missbrauch entschuldigte.

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