Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Tüdelbänder

In Hamburg würdigt ein neues Denkmal den "Jung mit'n Tüdelband". Wer etwa in Süddeutschland lebt, dem gibt das einige Rätsel auf. Dabei ist die Sache doch völlig klar.

Von Martin Zips

In Hamburg wurde gerade ein Denkmal für den "Jung mit'n Tüdelband" enthüllt. Als Erinnerung an seine Schöpfer: Liedermacher, die mit Nachnamen Isaac hießen, sich aber wegen des wachsenden Antisemitismus in Deutschland vor gut hundert Jahren in "Wolf" umbenannt haben. Das Lied, welches Jahrzehnte später vor allem durch die Volksschauspielerin Heidi Kabel deutschlandweit bekannt wurde, gehört fest zum Hamburger Kulturgut.

Nun stellt sich manchem Süddeutschen die Frage, was das eigentlich ist, ein "Tüdelband". Vom Tüdeln hat man zwar schon gehört: Etwa, wenn ein Hamburger Bürgermeister erklärt, er reise zum Königspaar von Schweden, allerdings "ohne Protokoll und Getüdel". Eine andere Form wiederum schaffte es im Jahr 2016 sogar in eine Spiel-Kritik des angesehenen Straubinger Tagblatts (Ressort Landshut). Offenbar infolge eines interessanten Selbstversuchs erklärte der Brettspiel-Rezensent, durch zu viele Kategorien werde sein "flüssiges Spiel" erschwert, besonders: "wenn man schon leicht angetüdelt ist". Freunde des Plattdeutschen ahnen immerhin: Wer Tüdelkram verbreitet, braucht dringend etwas, das ihm wieder Halt gibt. Eben so etwas, wie das - von Kindern früher auf der Straße als Schlagreifen verwendete - Tüdelband. Einen festen, metallenen Ring. Eigentlich gemacht, um Holzfässern ihre Dauben irgendwie zusammenzuhalten.

Politisch gesehen braucht die Gesellschaft heute übrigens Tüdelbänder dringender denn je. An Typen, die zwischen Bornhagen und Budapest ihre Dauben nicht ganz beisammen haben, mangelt es nämlich wirklich nicht. Eine echt gute Idee also, dem "Jung mit'n Tüdelband" in Hamburg sein ganz eigenes Denkmal zu widmen.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2019
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