Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Selbstgemachtes

In den Neunzigerjahren verschenkte man nice Scheiß. Heute muss alles selbstgemacht sein. Jetzt hat auch Prinz Charles seine "Dark Chocolate Honeycomb" an den Papst gebracht. Ausgerechnet in der Fastenzeit.

Von Hannes Vollmuth

Quälende Frage: Was schenkt man nur dem Papst, dem Oberhaupt der katholischen Kirche? "Es ist schwierig zu wissen, was man Eurer Heiligkeit schenken kann", gestand jetzt auch Prinz Charles bei einer Papstaudienz und stellte einen Bastkorb mit Spezereien auf den Tisch, alles bio und noch wichtiger: alles selbstgemacht. Die Tüte "Dark Chocolate Honeycomb" stach dann besonders hervor, die Charles an anderer Stelle schon als "wahrhaft epikureische Freude" beschrieben hatte.

Erstens muss man Papst Franziskus zunächst einmal warnen: Es ist Fastenzeit! Zweitens bringt Prinz Charles da den Pontifex maximus durchaus in gewisse Nöte, genießt doch Selbstgemachtes, Hausgemachte, Homemade-Artiges aller Art mittlerweile den unantastbaren Status eines Neugeborenen. Selbstgemacht? Großartig! Der technische Fortschritt hat uns Waren allerhöchster Güte beschert, aber wir müssen den Do-it-yourself-Ausschuss von Krethi und Plethi verbrauchen: Kokos-Limetten-Fußpeeling, Filzpantoffeln, selbstgestrickte Kratzsocken, Maronenkonfitüre mit Williams Christ, Carstens Brombeersenf (auf Chefkoch.de 4 von 5 Sternen).

Ende der 90er brachte man sich noch richtige Nonsense-Geschenke mit, funkelnde Glaskugeln in Metallspiralen zum Beispiel, also reinen Nippes, puren nice Scheiß. Na dann doch lieber Ingrids Quitten-Meerrettich-Chutney. Man muss das Eingeweckte, Eingekochte, Gedörrte und Gebackene ja nur herunterwürgen, während die funkelnde Glaskugel beim nächsten Überraschungsbesuch immer noch hängen soll. Und was macht der Papst? Überreicht Prinz Charles einen Olivenzweig aus Bronze. Also, wenn das mal kein Staubfänger ist.

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Quelle:
SZ vom 06.04.2017
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