Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Raute

Was für eine seltsame Idee: Eltern in Hamburg haben ihre Tochter tatsächlich nach dem Wappen des aktuellen Schlusslichts der Fußball-Bundesliga benannt.

Von Michael Neudecker

Die Raute begegnet einem heutzutage dauernd, man entkommt ihr nicht, ob man will oder nicht. Sie regelt den Verkehr (gelb, mit weißem Rand), sie zeigt an, wer in diesem Land in Wahrheit das Sagen hat (weiß und blau), sie unterstützt Angela Merkel bei wichtigen Auftritten (zwischen Daumen und Zeigefingern liegend), nicht zuletzt hilft sie, Fußballvereine zu erkennen, die in Deutschland besonders beliebt und geschätzt sind (Werder Bremen) oder waren (Hamburger SV). Im Fall des HSV, Schlusslicht der Bundesliga, hat es die Raute dank des "Blauen Peters" zum Klublogo gebracht, eines Flaggensignals aus der Schifffahrt, das einst anzeigte, dass das Schiff abfahrbereit war und alle einsteigen sollten. Das würde einem nun viele lustige Sprachbilder im Zusammenhang mit dem derzeit nicht so seetüchtig daherkommenden HSV eröffnen, aber darum soll es hier nicht gehen. Vielmehr sei auf die ja eigentlich positive Historie der HSV-Raute verwiesen, um besser versehen zu können, warum um alles in der Welt das Ehepaar G. aus Hamburg seine just geborene Tochter nach ebenjenem Logo benannte: In der Geburtsurkunde stehe "Luisa-Raute", berichteten die stolzen und in HSV-Devotionalien gekleideten Eltern der Bild-Zeitung. Erlaubt ist das deshalb, weil "Raute" eine Variante des aus dem Althochdeutschen stammenden "Rauthgundis" ist (dann doch lieber heißen wie ein Wappen). Man sei eben großer Fan des Klubs, sagen die Eltern, übrigens sei die Kleine bereits Mitglied des Vereins, auf dem Mitgliedsausweis stehe sogar "Raute-Luisa".

Festzuhalten ist, dass Luisa-Raute Glück hatte; es hätte viel schlimmer kommen können. Wäre sie ein Junge geworden, hätten die Eltern ihm die Vornamen gegeben, die die größten Fußballer der HSV-Geschichte tragen: Horst Hrubesch und Uwe Seeler.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2016
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