Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Mit Losglück zur Beerdigung

Astrophysiker Stephen Hawking hatte Fans auf der ganzen Welt, entsprechend groß ist das Interesse an der Beerdigungsfeier in Westminster Abbey. Jetzt werden 1000 Tickets verlost. Warum auch nicht?

Von Martin Zips

Manche behaupten ja, dass das komplette Leben ein Glücksspiel sei. Bestimmt wird es von drei Schicksalsgöttinnen: Klotho (die den menschlichen Lebensfaden spinnt), Lachesis (die ihn misst) und Atropos (die ihn abschneidet). Aber, wer sich auch nur ein bisschen naturwissenschaftlich auskennt, der weiß natürlich: Das ist völliger Unsinn. Göttinnen gibt es gar nicht. Auch ist das Leben kein Glücksspiel, sondern eine "Challenge". Also lasst uns was draus machen, Leute!

Noch bis zum 15. Mai kann man sich im Internet für die Verlosung einer oder mehrerer der insgesamt 1000 Eintrittskarten zur Beerdigungsfeier des Astrophysikers Stephen Hawking bewerben. Hawkings Asche soll am 15. Juni in der Westminster Abbey gleich neben Isaac Newton und Charles Darwin beigesetzt werden. Innerhalb von 24 Stunden haben sich 15 000 Menschen gemeldet, die in der Kirche dabei sein wollen. Das berichtet die BBC.

Verlosungen sind eine tolle Sache. Im alten Griechenland wurden Ämter verlost, in der Neuen Welt Grundstücke für Siedler. Bei Verlosungen werden Gegner für Sport-Partien bestimmt, Sitzplätze für "The Last Night of the Proms" vergeben, Green Cards, Zuchtbullen oder goldene Tickets für den Besuch von Willy Wonkas Schokoladenfabrik. Warum also nicht auch Beerdigungstickets verlosen?

Hawking, der über Schwarze Löcher und Außerirdische forschte, hätte sicher Spaß an dieser Idee seiner Kinder gehabt. Überall auf der Welt hat er Fans. Seine "kurze Geschichte der Zeit" verkaufte sich millionenfach, der Umgang mit seiner schweren Krankheit beeindruckte. Ehrlich gesagt: Man würde auch gerne nach London fahren, um in Westminster Abbey dabei zu sein. Doch rein mathematisch gesehen könnte es verdammt eng werden, mit dem Ticket. Klotho! Lachesis! Atropos! Ihr Göttinnen des Schicksals! Gibt es euch womöglich doch? Dann strengt euch jetzt gefälligst an. Sonst behält am Ende Hawking Recht: "Gott würfelt nicht nur, er schmeisst seine Würfel sogar dorthin, wo man sie gar nicht sehen kann".

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