Stilkritik Händedruck:Schlag ein!

Es gibt kein Entkommen: Kanadas Premierminister Justin Trudeau hält die Hand von Danielle Smith, Premierministerin der Provinz Alberta, fest. (Foto: Blair Gable/Reuters)

Der kanadische Premier Justin Trudeau zwingt einer Politikerin einen Handschlag auf. Darf er das? Eine Handreichung.

Von Martin Zips

"Der Mensch fühlt oft sich wie verwandelt, sobald man menschlich ihn behandelt", schreibt der Dichter Eugen Roth. Doch das mit dem Behandeln ist so eine Sache. Nehmen wir den politischen Handschlag. Wie oft gelingt der nicht! Mal ist Schraubstock angesagt, dann wird ins Leere gegriffen. Mal, wie bei Donald Trump und Emmanuel Macron, meint die irritierte Öffentlichkeit einem Wrestling-Kampf beizuwohnen, dann wieder ist sie peinlich berührt, wie kürzlich, als der iranische Botschafter der spanischen Königin bei einem Empfang den Händedruck verweigerte.

Der Handschlag ist und bleibt ein Minenfeld. Wie jetzt wieder zu beobachten beim Treffen des kanadischen Premierministers Justin Trudeau mit Danielle Smith, der Premierministerin der kanadischen Provinz Alberta. Sie überlegt gerade noch, ob sie ihm wirklich ihre Hand geben möchte, vor den Fotografen, da grabscht Trudeau schon eiligst nach ihren sich senkenden Fingern. "Ja, darf er denn das?", fragt sich nun die auf Internetvideos spezialisierte internationale Anstandspolizei. Darf er ihr derart unverschämt an die Gliedmaßen gehen?

Dazu ist zu sagen: Im privaten Leben geht das nicht. Wenn Dir einer die Hand nicht geben möchte, so lass ihn in Ruhe. Aber hier? Hier treffen sich zwei Politiker, um über Strategien zu beraten. Der eine möchte alternative Energien fördern, die andere sorgt sich wegen der Arbeiter in der Öl- und Gasindustrie. Da tut ein Handschlag not!

"Dieselbe Hand gibt Heilung mir und Wunden", heißt es in der Lyrik Petrarcas. Diesen Widerspruch wird der Mensch wohl nie auflösen können.

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