Stilkritik:Hochkultur

Das Berghain in Berlin. (Foto: Regina Schmeken)

Der Berliner Club Berghain unterliegt künftig dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent. Das zuständige Finanzgericht sieht offenbar Parallelen zu Hundefutter und Theaterbetrieben.

Von Christoph Dorner

Man kann dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg nur dazu gratulieren, es endlich eingesehen zu haben: Der Berliner Club Berghain ist nun Hochkultur. Veranstaltungen wie die wöchentliche "Klubnacht", bei der sich zwischen Samstagnacht und Montagmittag Tausende junge Leute in schwarzer Nachtgarderobe zu Techno "komplett wegballern", so sagt man das unter Ostberliner Ravern, unterliegen künftig dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent, der auch für das Theater gilt. Damit hat das Gericht die Argumentation nüchterner Finanzbeamter zurückgewiesen, die behauptet hatten, im Berghain fänden ja keine Aufführungen statt, für die man vorher Eintrittskarten oder ein Abo erwerben könne. Außerdem würde ja gar nicht geklatscht, wie bei redlicher Bühnenkultur, was schon deshalb nicht stimmt, weil die Beamten nach mehrstündigem Anstehen gar nicht erst an dem tätowierten Echsenmann und seinen Zerberussen an der Tür vorbeigekommen wären, um nachzusehen, ob in dem ehemaligen Heizkraftwerk nun geklatscht wird oder nicht.

Im Grunde ist es ganz einfach: Im Berghain werden Fegefeuergeschichten erzählt, genau wie im Theater. Menschen verlieren dort zeitweise den Kopf und ihren sexuellen Kompass. Dazu läuft Weltuntergangsmusik ohne Anfang und Ende, laut und düster inszeniert. Das muss Hochkultur sein! Das Urteil wird den Club selbstredend noch reicher und noch berühmter machen. Die Schlange vor dem Berghain reicht an manchen Sonntagen, zwischen zwei und fünf Uhr morgens, bereits bis zu einem 300 Meter entfernten Baumarkt. Dort herrscht dann den ganzen Rest der Woche Hochkulturstimmung, wenn das Hundefutter, ebenfalls sieben Prozent Mehrwertsteuer, im Angebot ist. Glückliches Berlin.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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