Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Hello Kitty

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Ein weiß-rosa Kätzchen, das seit den Siebzigerjahren auf alles springt, was sich aus Plastik herstellen lässt, soll für UN-Nachhaltigkeitsziele werben. Wie bitte?

Von Ann-Kathrin Eckardt

Würden sich vor dem Fenster die Blätter nicht gerade gelb-rot färben, man wäre geneigt, die Nachricht für einen Aprilscherz zu halten: "Hello-Kitty-Katze soll für UN-Nachhaltigkeitsziele werben", meldet dpa. Wie bitte? Ausgerechnet dieses in Japan erfundene weiß-rosa Kätzchen, das seit den Siebzigerjahren auf alles springt, was sich aus Plastik herstellen lässt (egal ob Schlüsselanhänger oder Vibrator, Kitty ist da nicht gerade wählerisch) und von seiner Schöpferin nicht mal einen Mund erhalten hat, soll jetzt für Nachhaltigkeit und die Gleichberechtigung von Frauen werben?

Dass das Ganze kein Witz ist, beweist das Video eines mehr als skurrilen Telefonats auf der Seite www.un.org zwischen der Zeichenfigur und der stellvertretenden UN-Generalsekretärin Amina Mohammed. Darin fragt Mohammed, ob Kitty den Vereinten Nationen helfen wolle, Nachhaltigkeitsziele weltweit zu promoten. "Natürlich, ich helfe gerne", antwortet Kitty mit einer Stimme, die klingt, als habe sie zuvor zwei Flaschen Helium inhaliert. Die Katze befindet sich damit in bester Gesellschaft. Auch Lionel Messi, Kronprinzessin Victoria von Schweden, Regisseur Richard Curtis oder Königin Mathilde von Belgien werben für die "global goals" der UN.

Zu den 17 Zielen, die bis 2030 erreicht werden sollen, gehört zum Beispiel, dass kein Mensch mehr in Armut leben oder Hunger leiden darf, dass die Diskriminierung von Frauen beseitigt und der Klimawandel bekämpft werden sollen. Warum die Wahl ausgerechnet auf Hello Kitty fiel? "Mit ihren zahlreichen Fans schließt sie sich unseren globalen Anstrengungen an, junge Menschen überall auf der Welt über die Nachhaltigkeitsziele zu informieren", so UN-Sprecherin Melissa Fleming. Äh ja. Wir lernen: Man muss nicht unbedingt selbst nachhaltig leben, um anderen gute Ratschläge zu erteilen.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2019
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