Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Dresscode

Haim Katz, der israelische Sozialminister, musste lernen, dass sein farbenfroh geringeltes Poloshirt nicht bei jedem gut ankommt. Vor allem nicht beim Premierminister.

Von Peter Münch

Jenseits von militärischen Uniformen wird in Israel meist auf allzu formelle Kleidung verzichtet. Im Restaurant trägt man Strandmode zur Schau, im Konzertsaal sitzt mancher gern in kurzen Hosen, und so ging Haim Katz, der israelische Sozial-minister, ganz arglos in seinem farbenfroh geringelten Poloshirt zur Regierungssitzung. Gewiss, schlank macht das nicht, aber am Kabinettstisch kommt es ja eher auf die breite Brust an. Die breiteste Brust im ganzen Land aber hat natürlich der Premier persönlich, und Benjamin Netanjahu schmückt diese Brust gern mit einer Krawatte. Damit setzt er sich auch modisch weit genug ab vom Staatsgründer David Ben Gurion, der ja bekanntlich am liebsten einen Kibbuzkittel trug. Selbst wenn über ihm die Wüstensonne glüht, gibt sich Ne-tanjahu lieber staatsmännisch als volksnah - und nichts anderes erwartet er vom Personal. "Haim, das ist nicht respektvoll", rüffelte der Regierungschef also seinen geringelten Minister. Erst, als er sich umgezogen hatte, durfte der Sozialminister am Kabinettstisch Platz nehmen - im Hemd, als Büßer.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2016
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