Stilkritik:Alternativen

(Foto: John MacDogall/AFP)

Es braucht immer Alternativen. Zum Beispiel die Alternative für Baden-Württemberg, die ja eine Alternative zur Alternative für Deutschland ist. Aber dann wird es alternativlos unübersichtlich: Am Ende droht der Gehirnschluckauf.

Von Martin Zips

Gut, es braucht immer Alternativen. Zum Beispiel die Alternative für Baden-Württemberg, die ja eine Alternative zur Alternative für Deutschland ist. Wer mit der Alternative für Baden-Württemberg unzufrieden ist, der könnte die Alternative für Mötzingen, Oschatz oder Bützow gründen. Alternativen sind heute sehr beliebt. E-Zigaretten zum Beispiel. Laktosefreie Milch, Cola Zero oder Tofu. Tinder sowieso.

Die Alternative zur Alternative Frauke Petry heißt jetzt jedenfalls Jörg Meuthen. Bei so viel Alternativen fühlt man sich wie im Kahn am Ammersee, wenn der Wind ständig dreht. War nicht Boris Johnson gerade noch die Alternative zu David Cameron? Und jetzt ist Theresa May die Alternative zu Boris Johnson? Da stehst du manchmal wie vor dem Shampoo-Regal im Supermarkt und denkst dir: So eine große Auswahl! Und je mehr Alternativen, umso weniger blickst du durch.

Früher, als der Chansonnier Maurice Chevalier noch lebte, da gab es deutlich weniger Alternativen. Der Chevalier sagte einmal: Alt werden sei für ihn eigentlich gar nicht schlimm - "wenn man die Alternative bedenkt". Den Satz hat damals jeder verstanden. Heute müsste der Chevalier auf Instagram erklären, welches Alter er denn genau meint. Das eher gesellige Alter im selbstfahrenden Auto, in dem er dank der Errungenschaften modernster Medizin sowie Körper-Prothesen aus dem 3-D-Drucker auch noch mit 90 Jahren während der Fahrt Cyber-Sex haben kann? Oder meint er das einsame aber glückliche, rundum drohnenversorgte Alter auf dem Land? Ach, es gibt heute so viele Alternativen. Da darf man jetzt nur keinen Gehirnschluckauf kriegen.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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