Steve Fossett:Der Mann, den der Himmel verschluckte

Vor einem Jahr kehrte der Abenteurer Steve Fossett von einem Übungsflug in Nevada nicht zurück - hat er seinen Tod nur inszeniert?

Tanja Rest

Seltsam genug, dass er an jenem Morgen seine Tasche nicht mitnahm, die er sonst immer dabei hatte, darin Satellitentelefon, GPS-Gerät und die Breitling-Uhr, mit der man Notsignale senden kann. Ganz entgegen seiner Gewohnheit überließ er den Sicherheits-Check an seinem Flugzeug dieses eine Mal auch einem anderen Piloten.

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(Foto: Foto: Reuters)

Nicht zuletzt das Flugzeug selbst: eine blau-weiße Bellanca Citabria Super Decathlon, die unter Experten als nahezu absturzsicher gilt. Eine Maschine, fast ausschließlich aus Leichtmetall, Stoff und Holz gefertigt, die sich schnell auseinander bauen lässt. Die auf einem Radarschirm nur schwer zu orten ist.

Genau ein Jahr ist es nun her, dass Steve Fossett mit seiner Bellanca in den azurblauen Himmel über der Wüste Nevadas flog, und die Gerüchteküche will es so, dass die vielen Zeitungsartikel, die sich in diesen Tagen mit seinem Verschwinden beschäftigen und noch immer nicht wie Nachrufe klingen wollen, in irgendeinem Winkel der Welt einen besonders aufmerksamen Leser finden könnten: Steve Fossett selbst.

"Bis zum Mittag, Schatz"

Der 3. September 2007, ein sonniger, windstiller Tag. Fossett, 63, und seine Frau Peggy sind wie so oft auf der "Flying M Ranch" ihres Freundes Barron Hilton zu Gast. Der Hotel-Patriarch, Großvater des Partygirls Paris, unterhält hier, 100 Kilometer südlich von Reno, einen 2200 Quadratkilometer großen Freizeitpark für befreundete Flieger und Ballonfahrer.

Die Bellanca gehört ihm, Fossett ist schon oft damit geflogen. In den Tagen danach werden die Medien berichten, der Berufsabenteurer habe in der Wüste nach einem ausgetrockneten Flussbett gesucht, auf dem er mit einem raketengetriebenen Auto die Schallmauer durchbrechen wollte. Seine Frau Peggy sagt, es sei ein reiner Vergnügungsflug gewesen.

"Bis zum Mittag, Schatz", sind seine letzten Worte an sie. Er füllt keinen Flugplan aus, auch dies ist ungewöhnlich. Er hat eine Flasche Wasser dabei und Treibstoff für vier, fünf Stunden. Nur ein einziger Zeuge sieht, wie Fossett um 8.30 Uhr von der Startbahn der "Flying M Ranch" abhebt.

Die größte Suchaktion in der Geschichte der USA

Was in den nächsten Tagen und Wochen folgt, ist die größte Suchaktion in der Geschichte der USA. Mehr als 60 Maschinen sind in der Luft, darunter 30 Privatflugzeuge und 14 Blackhawk-Hubschrauber des Militärs mit Infrarot-Scannern. Hunderte beteiligen sich mit dem Auto oder zu Fuß an der Suche, Zehntausende starren via Internet auf die Satellitenbilder von Google Earth - es geht um eine Fläche von etwa 75000 Quadratkilometern, ein Gebiet so groß wie Bayern.

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Der Mann, den der Himmel verschluckte

Elf Wracks werden gefunden, einige von ihnen Drogenflieger ohne Seriennummer. Ein Mann, der sein Leben lang glaubte, der Vater habe ihn als Kind verlassen, erfährt nun, dass dieser Vater seit 40 Jahren in einer Schlucht der Sierra Nevada liegt. Doch von Fossett und der Bellanca keine Spur.

Schneller, höher, weiter

Die Zweifel und Spekulationen sind von Anfang an da. Fossett hat in der Luft, zu Land und auf dem Wasser 116 Weltrekorde aufgestellt, für die er schneller, höher oder weiter unterwegs gewesen ist als irgendein Mensch vor ihm. Er hat den Ärmelkanal durchschwommen, eine neue Spitzengeschwindigkeit für Zeppeline erreicht, er hat als erster Mensch der Welt die Erde allein in einem Ballon umrundet und später auch mit einem Ultraleichtflugzeug.

1998 ist er mit seinem Ballon im Sturm ins Meer gefallen und gerettet worden, fünfzig Kilometer hat er nach einer Notlandung einmal zu Fuß zurückgelegt. Die Vorstellung, dass einer wie er bei einem banalen Übungsflug ums Leben kommen könnte, das ist, als sei Reinhold Messner am Feldberg zu Tode gestürzt. Das kann zunächst keiner glauben. Die Gerüchtemacher behaupten, Fossett habe sich abgesetzt, er sei auf den Bahamas oder in Mexiko, wahrscheinlich mit einer anderen Frau. Beweise dafür gibt es nicht.

"Fossett hatte keinen Grund zu verschwinden"

Wenige Wochen nach seinem Verschwinden veröffentlicht Peggy Fossett eine Petition. "Fossett hatte keinen Grund zu verschwinden", heißt es darin. Er habe weder vor noch nach dem 3. September eine größere Geldmenge abgehoben. "Fossett war glücklich und verfolgte seine Abenteuer leidenschaftlich. Keiner der an der Suche Beteiligten hat Hoffnung, dass Fossett noch lebt."

Den Verschwörungstheoretikern erscheint dann aber das Tempo, mit dem dieser Tod quasi amtlich wird, auch schon wieder verdächtig: Auf Peggys Betreiben hin wird Fossett von einem Chicagoer Bezirksgericht im Februar 2008 für tot erklärt - und dies, obwohl Menschen in Michigan eigentlich sieben Jahre verschollen sein müssen, bevor der Richter eine solche Entscheidung fällt.

Die Witwe, die mit Fossett 40 Jahre lang verheiratet war und keine Kinder mit ihm hat, erbt den Großteil seines Besitzes: Kapitalgesellschaften und Immobilien sowie ein Barvermögen, das auf über zehn Millionen Dollar geschätzt wird. Danach wird es eine Zeitlang ruhig - bis Cynthia Ryan auf der Bildfläche erscheint.

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Der Mann, den der Himmel verschluckte

Neuer Wirbel um das Verschwinden von Fossett

Ryan ist Oberstleutnant bei der US-Luftfahrtbehörde Civil Air Patrol, die mit der Suche nach Fossett betraut war. Am 28. Juli druckt der englische Telegraph einen Artikel, der dem Gerücht vom bloß inszenierten Tod des Abenteurers neuen Auftrieb gibt.

Cynthia Ryan sagt darin: "Ich führe solche Suchaktionen jetzt seit 14 Jahren durch. Fossett hätte gefunden werden müssen." Und: "Es ist nicht so, dass wir unsere Augen nicht aufgemacht hätten. Wir haben sechs Flugzeuge gefunden, als wir nach ihm suchten. Wir sind ziemlich gut bei dem, was wir tun."

Leutnant Rhodes halte es für möglich, berichtet der Telegraph, dass Fossett wegen privater und geschäftlicher Probleme seinen Tod nur vorgespiegelt habe. Von Spekulationsverlusten und einer, möglicherweise auch zwei heimlichen Geliebten ist die Rede.

Im gleichen Artikel meldet sich auch der Versicherungsdetektiv Robert Davis zu Wort. Dem Blatt zufolge ermittelt er im Auftrag von Lloyd's, wo Fossett eine Lebensversicherung über 25 Millionen Dollar abgeschlossen haben soll. "Ich habe mit Reportern vor Ort gesprochen, mit den Suchmannschaften, mit jedem, der Licht in diese Sache bringen könnte", sagt Davis. "Ich habe herausgefunden, dass es absolut keinen Beweis dafür gibt, dass Steve Fossett wirklich tot ist."

"Grundlose Spekulationen"

Die Meldung sorgt für Furore. Davis distanziert sich später allerdings von seinen Aussagen, auch sei Lloyd's nicht sein Auftraggeber. Ähnlich Cynthia Ryan: Ihre Zitate seien "aus dem Zusammenhang gerissen worden", erklärt sie, darüber hinaus wolle sie sich zu dem Fall nicht mehr äußern.

Peggy Fossett lässt über ihren Anwalt erklären, sie sei "zutiefst bestürzt" über die "grundlosen Spekulationen". Fossett sei "in keinerlei finanziellen Schwierigkeiten" gewesen, von einer Lebensversicherung bei Lloyd's wisse sie nichts. Das Versicherungshaus selbst lässt die Berichte unkommentiert.

War es also doch ein Unfall? Oder Steve Fossetts letzter großer Coup? Könnte ein Leben, das die Fantasien der Menschen stets beflügelt hat, nicht auch eine fantastische Wendung genommen haben? Fossetts alter Kumpel Richard Branson, Boss der Virgin Group und Ballonfahrer wie er, widerspricht: "Ich halte das für Quatsch", hat er der englischen Presse mitgeteilt. "Ich wünschte, er wäre in Südamerika mit ein paar schönen Mädchen. Aber das ist er nicht."

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