Süddeutsche Zeitung

Steinzeit:Die Wege des Eismanns

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Ötzi war kein großer Wanderer: Er lebte während seiner Kindheit im heutigen Eisacktal, als Erwachsener im Vinschgau. Seine Wanderbewegungen hat ein internationales Forscherteam jetzt rekonstruiert.

(SZ vom 31.10.2003) - Ein großer Wanderer war Ötzi nicht gerade. Sein ganzes Leben bewegte sich der Mann aus dem Eis lediglich in einem Bereich 60 Kilometer südöstlich des Südtiroler Gletschers, in dem seine Überreste 1991 entdeckt wurden.

Ötzis Wanderbewegungen rekonstruierte ein internationales Forscherteam mithilfe der so genannten Isotopenanalyse (1). Die Methode gab den Wissenschaftlern Aufschluss darüber, wo sich Ötzi, dessen Alter auf 5200 Jahre geschätzt wird, während seiner Kindheit und im Erwachsenenalter aufgehalten hat und sogar, wo er sich kurz vor seinem Tod befand.

Fast so eindeutig wie ein Fingerabdruck

Die Wissenschaftler verglichen dafür verschiedene Körperproben mit Bodenproben aus der Alpenregion. So geben Materialien, die in die Zähne eingelagert wurden, Aufschluss über den Aufenthalt in der Kindheit, da sie sich in dieser Lebensphase entwickeln. Die Knochen, in die auch später ständig neue Mineralien aus der Nahrung einlagert werden, sagen etwas über das Erwachsenenalter aus.

Jede Materialprobe besitzt eine charakteristische Zusammensetzung von Isotopen (Erscheinungsformen) eines chemischen Elements. Diese sei fast so eindeutig wie ein menschlicher Fingerabdruck, sagt Alexander Halliday von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, einer der Koautoren der Studie.

Die letzte Mahlzeit

Wie in einem Puzzlespiel verglichen die Forscher die Isotopenmuster verschiedener Elemente wie Blei und Sauerstoff im Körper von Ötzi mit denen aus Boden- und Wasserproben. Daraus konnten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit schließen, dass Ötzi seine Kindheit in der Gegend des Eisacktales, in der Nähe des heutigen Bozenverbracht hat.

Und mutmaßliche Reste des Mühlsteines, mit dem das Brot aus der letzten Mahlzeit des Eismannes gemahlen wurde, deuten darauf hin, wo er sich am Ende seines Lebens aufgehalten hat. Das Material, das die Forscher im Magen fanden, kommt typischerweise im Vinschgau vor - etwa 50 Kilometer westlich des Eisacktals.

Eine derart genaue Ortsbestimmung sei nur durch die sehr unterschiedlichen geologischen und topographischen Gegebenheiten in den Alpen möglich gewesen, sagt Peter Horn von der Fakultät für Geowissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Bei der Bestimmung von Ötzis Wanderbewegungen seien Informationen aus vielen verschiedenen Fachbereichen, etwa über die Geologie und die Flora der Alpen zusammengeflossen, sagt Halliday. "Wir mussten sie zusammensetzen wie Detektive."

(1) Science, Band 302, S. 862, 2003

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Von Christine Amrhein
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