Elizabeth II. in Deutschland:Die Königin läuft sich warm

  • Am ersten Tag ihres Besuchs in Deutschland wird Königin Elisabeth II. von einem gelösten Bundespräsidenten empfangen.
  • Die Monarchin wirkt zunächst kühl, taut aber im Gespräch mit Gauck zunehmend auf.
  • Die Queen war 1965 ein erstes Mal in Deutschland, der Besuch stand damals ganz im Zeichen der Versöhnung zwischen Briten und Deutschen.
  • Als Gesprächsthema mit Merkel drängt sich Europa auf. Auch Premierminister Cameron ist nach Berlin gekommen, er will mit der Kanzlerin über EU-Reformen verhandeln.

Von Constanze von Bullion und Verena Mayer, Berlin

Als die Königin dann auf dem Wasser unterwegs ist mit dem Bundespräsidenten, der an der Reling lehnt und in die Menge winkt, als sei er der Star des Tages, da schenkt die kleine Dame dem Volk ein Lächeln. Sie wirkt jetzt ganz so, als finde diese kleine Bootspartie Gnade vor ihren Augen.

Mittwochvormittag auf der Spree im Berliner Tiergarten, die britische Königin Elisabeth II. ist mit Prinz Philip zum Staatsbesuch in Deutschland, es ist ihr fünfter und vermutlich letzter. Die Queen ist inzwischen 89 Jahre alt und bald die dienstälteste Regentin, die Großbritannien je hatte, ihr Mann ist vor Kurzem 94 geworden, aber das ist den Hoheiten nicht anzusehen. Die Zeiten mögen Elisabeth II. den Rücken etwas gebeugt haben, und sie bewegt sich mit gemessener Würde, aber sie hat noch immer diesen unbeirrbaren Schritt und einen Blick, der Respekt fordert, auch wenn die Berliner sich alle Mühe geben, keine unnötige Distanz aufkommen zu lassen.

Gauck nimmt Ovationen entgegen, die seiner Besucherin gelten

"Give Peace a Chance" grölt ein Spontan-Chor am Mittwoch am Ufer der Spree, wo Hunderte stehen und winken und auf Fahrrädern entlangflitzen, als auf dem Wasser ein offener Kahn auftaucht, der eine königsblaue Abgaswolke hinter sich herzieht. An Bord sitzt die Queen in einem glitzernden weißen Mantel. Hin und wieder hebt sie die Hand, viel mehr ist nicht nötig. Der Bundespräsident steht unterdessen an Deck und nimmt Ovationen entgegen, die seiner Besucherin gelten.

Berlin, Frankfurt, Bergen-Belsen - Elisabeth II., die nur noch selten ins Ausland aufbricht, hat sich einiges vorgenommen für ihren Besuch bei den Deutschen. Er findet genau 50 Jahre nach ihrer ersten Deutschlandreise statt, die damals, 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, vor allem eines war: eine Geste der Versöhnung.

Beim Besuch der Queen 1965 wird befürchtet, die Menschen könnten "Heil!" rufen

Wer sich die Schwarz-Weiß-Fotos von 1965 anschaut, sieht da eine junge Königin in einem Land, das gezeichnet ist von der eigenen Geschichte. Vier Jahre vor der Visite ist in Berlin die Mauer gebaut worden, die Royals lassen sich am Potsdamer Platz an Panzersperren vorbeikutschieren.

In Stuttgart steht die Queen im offenen Wagen neben dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kurt-Georg Kiesinger, einem ehemaligen NSDAP-Mann, der wenig später Bundeskanzler wird. Am Straßenrand geraten die Menschen damals so außer Rand und Band, dass Verantwortliche befürchten, sie könnten versehentlich "Heil!" rufen.

Das Thema Europa drängt sich geradezu auf in diesen Tagen

Solche Details aber haben die Freude der Königin offenbar nicht trüben können. "Dieser Deutschlandbesuch gehört zu ihren schönsten Erinnerungen", ließ ihr Sprecher wissen. Nun also eine weitere Reise, die an manchen Faden anknüpft, der sich schon durch den Besuch vor 50 Jahren zog.

Was die Queen mit dem Bundespräsidenten und der Kanzlerin bespricht, ist vertraulich, wenngleich dann doch ein bisschen davon nach draußen dringt: Regierungssprecher Steffen Seibert twittert am Abend ein 58-Sekunden-Video, wie Angela Merkel der Queen den Speisesaal im Bundeskanzleramt zeigt. Die Kanzlerin spricht Englisch mit deutschem "th", dann gehen die beiden auf die Dachterrasse, Merkel zeigt in die Ferne und sagt: "And where the train goes there, there was the wall", da drüben, wo die Eisenbahn ist, da war die Mauer, und sie selbst habe da gelebt, "I lived in East Germany". Die Queen deutet ein Nicken an, die beiden Frauen kennen das ja, Smalltalk unter Oberhäuptern.

Sie haben dann wohl noch über Ernsteres gesprochen, das Thema Europa drängt sich auf in diesen Tagen, auch der Wunsch vieler Briten nach Rückzug aus der EU. Überhaupt beinhaltet das Programm auch ernste Themen: Nach dem Gespräch mit Merkel besucht die Queen die Neue Wache unter den Linden, die an die Opfer zweier Weltkriege erinnert. Einen langen Moment steht die kleine Dame in Weiß da vor der Plastik von Käthe Kollwitz, die eine trauernde Mutter mit ihrem toten Sohn zeigt.

Am Freitag will Elisabeth II. das ehemalige Konzentrationslager Bergen-Belsen in Niedersachsen besuchen, das 1945 von britischen Truppen befreit wurde. Ein Kreis schließt sich da, auch für die Königin, die diesen Ort des Schreckens zum ersten Mal besucht.

Erst als Gauck zu plaudern beginnt, scheint die kleine Dame aufzutauen

Zunächst aber spielt die Musik vor Schloss Bellevue, am Mittwochmorgen öffnen sich hier meterhohe Flügeltüren, und heraus tritt ein präsidiales Paar der etwas anderen Sorte. Daniela Schadt trägt einen Federhut, der gut für die Jagd taugen würde, sie knickst vor der Königin und verwickelt den Prinzgemahl ins Gespräch. Joachim Gauck, der eher nicht zur Monarchomanie neigen dürfte, strahlt die Queen an. Die aber wirkt zunächst etwas distanziert, tritt fast etwas ungnädig vor die Fotografen. Erst später, als Gauck zu plaudern beginnt und das Volk am Horizont auftaucht, scheint die kleine Dame aufzutauen.

Draußen in der Stadt warten glühende Fans, die Klasse 6b aus Wemding ist mit ihrer Englischlehrerin zum Queen-Besuch aus Bayern angereist. Jeden Freitag haben die Kinder Teatime geübt in der Klasse und der Königin Briefe geschrieben. Jetzt stehen sie am Ufer der Spree in der Kälte, rundum Berliner, die sich hier artig in Zweierreihen aufgestellt haben. "Da isse, die Lizzy!" ruft eine Frau, als das Holzboot mit den königlichen Gästen herantuckert. Die 6b stimmt "God Save the Queen" an, der Bundespräsident winkt.

Vortrag über nationale Symbole und Festbankett

Ein paar Stunden später taucht die Dame in Weiß am anderen Ende der Stadt auf, vor der Technischen Universität, die ihre Fassade mit einem riesigen Queen-Transparent geschmückt hat. Vor 50 Jahren hat Elisabeth II. der Stadt die "Queen's Lecture" gestiftet, eine Vortragsreihe. Zum goldenen Jubiläum sitzt sie nun selbst als Zuhörerin im Audimax, auch die Kanzlerin ist gekommen. Es spricht Neil MacGregor, der Leiter des British Museums, der bald Intendant des Humboldtforums wird. Der Kunsthistoriker spricht über "Symbole einer Nation" und zeigt Fotos von englischen Gärten, in Öl gemalte Hunde und James Bond, eine Mischung, auf die sich alle einigen können. Dann wird den Gästen ein kleiner Roboter vorgeführt, er wedelt mit den Armen, da lacht die Königin.

Endlich.

Der Tag geht schon zu Ende, als Elisabeth II. mit weißem, bodenlangem Kleid, Schärpe und Diadem im Haar zum Bankett in Schloss Bellevue erscheint. Der Rest ist dann Bachforelle mit geröstetem Salatherz, Müritzlamm mit Thymian und ein Dessert aus Erdbeeren und Holunderblüten mit Alpenbuttermilch.

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