Staatsanwalt Thomas Hauburger:Mann für aussichtslose Fälle

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Der 37-jährige Thomas Hauburger hat sich einen Namen gemacht als Mann für "cold cases". (Foto: picture alliance / Andreas Arnol)

Der Staatsanwalt Thomas Hauburger hat ein besonders Gespür für "Cold Cases", scheinbar aussichtlose Fälle. Aktuell fahndet er in einem Mordfall, der lange als Unfall galt.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Das mittelhessische Gefilde um Gießen ist keine Hochburg von Schwer- und Schwerstverbrechern. Wohl aber eine Region, in der, wie anderswo auch, spektakuläre Untaten lange ungeklärt waren oder sind. Über einen neuen Fall hat Staatsanwalt Thomas Hauburger am Mittwochabend in der TV-Sendung Aktenzeichen XY berichtet. Ein türkischer Geschäftsmann war 1997 in der Wetterau tot in seinem Wagen gefunden worden. Vieles sprach für einen Unfall. Dass der Mann eine Kugel im Nacken hatte, stellte sich erst 2016 heraus, als die Ermittler den Mann nach Hinweisen auf einen Mord exhumieren ließen. Nun sucht Hauburger Zeugen oder Mitwisser. Wieder einmal.

Der 37 Jahre alte Staatsanwalt hat sich einen Namen gemacht als Mann für "cold cases". So nennt man in englischer Sprache ungeklärte Kriminalfälle. In den USA, Großbritannien und anderswo lebt davon eine ganze Industrie, die in Büchern oder Filmen mysteriöse Verbrechen schildert. Hauburger weiß, wie mühsam die Aufklärung solcher Bluttaten in der Praxis ist. Es braucht größte Beharrlichkeit der Ermittler von Polizei und Justiz, manchmal allerdings auch einen Zufall. Den gebürtigen Rheinland-Pfälzer aus Bad Kreuznach, der durch sein Jura-Studium nach Hessen kam, reizt, wie er sagt, die detektivische Herausforderung vermeintlich unlösbarer Verbrechen.

Als ein solches galt fast zwei Jahrzehnte lang auch der Tod der seinerzeit acht Jahre alten Johanna Bohnacker. Das Kind war im September 1999 scheinbar spurlos verschwunden, im Frühjahr 2000 wurde dann die Leiche gefunden. Der Fall ließ die Polizei nie los, man suchte mit öffentlichen Aufrufen und Massentests nach Verdächtigen. Vergeblich. Thomas Hauburger nahm sich der Sache an, ließ die Akten digitalisieren, beauftragte junge Polizisten, ihren unverstellten Blick auf die Ermittlungen zu werfen. Wurden dabei Dinge übersehen, sind die Zeugenaussagen korrekt, die Hypothesen der Ermittler logisch? Wer einmal Beteiligter an einem allenfalls mittelschweren Autounfall war, weiß nur zu gut, dass Augenzeugen das Geschehen ganz unterschiedlich in Erinnerung haben.

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Irrungen und Wirrungen hatte es auch im Fall Johanna gegeben. Ein Zeuge hatte am Tattag einen rotbraunen VW-Jetta beobachtet. Als man ihm das Fahrzeug eines seinerzeit Verdächtigen zeigte, schüttelte der Mann mit dem Kopf. Nein, die Farbe sei falsch. Von wegen. Es war der Wagen eben jenes Mannes, der sich derzeit vor dem Landgericht Gießen wegen der Entführung und Ermordung Johannas verantworten muss. Der Ankläger heißt Thomas Hauburger. Die Lösung des Farbenrätsels ist nun geklärt: Je nach Lichteinfall leuchtet die Lackierung in einer anderen Nuance.

"Wir hätten den Angeklagten vielleicht schon früher festsetzen können", sagt Hauburger. Ihm, dem Detektiv und Volljuristen, geht es bei der Klärung alter Mordfälle nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Lehren für die künftige Arbeit der Ermittler. Natürlich sei der Rechtsfrieden wichtig - und die alte Regel, dass ein Mord nie verjähre und geahndet werden müsse, sagt der einstige Hockey-Spieler. Ebenso die Seelenruhe der Angehörigen der Opfer, die mit schrecklichen Tatsachen oft besser leben könnten als mit Ungewissheit. Ihm liegt allerdings auch ein konstruktiver Umgang mit Irrtümern der Ermittlungsbehörden am Herzen.

"Wir müssen an unserer Fehlerkultur arbeiten", sagt Hauburger. Nach Abschluss eines großen Falles setzt er sich abermals mit den zuständigen Polizisten zusammen, analysiert, wer wo aus welchem Grund Fehler gemacht hat. Nicht, um irgend jemanden an den Pranger zu stellen, sondern um aus den Versäumnissen zu lernen. Doch Hauburger ist Realist, kein Träumer. Deshalb fügt er im selben Atemzug hinzu: "Machen wir uns nichts vor: Es wird immer Fehler geben. Polizisten sind schließlich Menschen. Und Staatsanwälte auch."

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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