Sprache:V wie Vogtland

Reichebach-Mylau Die Göltzschtalbrücke im sächsischen Vogtlandkreis ist die größte Ziegelstein-Brücke der Welt. Das Viad

Statt "V wie Viktor" soll es künftig "V wie Vogtland" heißen. Schließlich steht dort unter anderem die Göltzschtalbrücke, die größte Ziegelstein-Brücke der Welt.

(Foto: Sylvio Dittrich /imago)

Lange wurde in Deutschland nationalsozialistisch buchstabiert, nun wird erneut die "DIN 5009" überarbeitet. Auch Tübingen und Zwickau sollen künftig mit im Buchstabensalat sein - und jeder darf mitreden.

Von Martin Zips

Flüchtig betrachtet erschien das Vogtland zuletzt nicht gerade als Zentrum deutschen Frohsinns. Hier ein öffentlich ausgetragener Streit um einen Maschendrahtzaun, dort ein zu den politischen Rändern drängendes Wählerinnen- und Wählerspektrum, hinzu kamen hohe Inzidenzzahlen und viele Impfgegner. Außerdem hat die Schlagersängerin Stefanie Hertel die Region bereits 1997 verlassen. Aus welchen Gründen auch immer. Sie lebt heute im Chiemgau.

Schon bald aber dürfte ziemlich ausgelassene Stimmung herrschen, im Vogtland. Denn gerade hat sich das Deutsche Institut für Normung mit seiner frisch aktualisierten DIN 5009 zu Wort gemeldet. Was die DIN 5009 ist? "Die Norm definiert unter anderem Regeln für die gesprochene Ansage von danach zu schreibenden Texten", erklärt man beim Institut in Berlin. Dazu gehörten auch "das Buchstabieren von Textteilen wie Eigennamen und Internetadressen im Telefongespräch". Aha. Wichtig sei die DIN vor allem "in Wirtschaft und Verwaltung." Sagte man laut ihr zuletzt noch "V wie Viktor", so dürfte es künftig "V wie Vogtland" heißen.

Bei ihrer erstmaligen Veröffentlichung vor 38 Jahren hieß die DIN 5009 übrigens noch "Regeln für das Phonodiktat". Es ging schlicht darum, verstanden zu werden. Nur kein babylonisches Sprachengewirr, etwa, wenn es mal wieder in der Telefonleitung knackte oder der von Zigaretten, Mettwurst und Eierlikör schon völlig degenerierte Chef "Frau Müller zum Diktat!" bat. War gerade mal nicht klar, ob man den Geschäftspartner Meier nun mit ey oder ai schreiben sollte, so half die Buchstabiertafel: "Bitte mit E wie Emil und I wie Ida!"

"Ü wie Umlaut-U" - das ist übel, nicht nur für Überlingen

Die DIN 5009 geht übrigens zurück auf die "postalische Buchstabentafel" des Berliner Telefonbuchs von 1890. In den 1930ern dann machten die Nazis aus dem "D wie David" ein "D wie Dora", was nichts Gutes bedeuten konnte. Zudem strichen sie im völkischen Wahn biblische Namen wie Samuel, Zacharias oder Nathan. Fortan hieß es: Siegfried, Zeppelin und Nordpol. "Indiskutabel", fand 2019 das nicht nur der baden-württembergische Antisemitismus-Beauftragte Michael Blume und so erstellte das DIN-Institut einen neuen Entwurf.

Aber auch schon "Fassung 2020 ohne NS-Eingriff" war schnell überholt: "Zu viele Männernamen, zu wenig Frauennamen, zu wenig divers", lautete die Kritik. Man sah sich zu einer weiteren Überarbeitung gezwungen, die noch bis Ende September im Netz von jedermann diskutiert werden darf.

Künftig, so empfiehlt es das Institut, soll nur noch mit deutschen Städte- und Landschaftsnamen buchstabiert werden. Adieu, Jakob, Adieu, Marie. Vielmehr wären - neben dem Vogtland - dann auch Tübingen, Görlitz, Potsdam und Zwickau mit im deutschen Buchstabensalat, was Trier, Göttingen, Peenemünde und Zittau vermutlich ziemlich brodeln lässt. Aber jedem kann man es nun mal auch nicht recht machen. Bei Y wäre Ybbs recht nett gewesen. Aber das liegt in Österreich. Also heißt es weiter: "Y wie Ypsilon".

Im italienischen Funk-Alphabet jedenfalls hat sich das mit den Ortsnamen bereits sehr gut bewährt (auch, wenn Asti sicher ein bisschen eifersüchtig ist, auf das "A wie Ancona"). Schade nur, dass man in Deutschland - sollte die neue DIN Mitte 2022 tatsächlich in Kraft treten - nicht mehr "Ü wie Übermut" sagen können soll. Künftig würde es dann heißen: "Ü wie Umlaut-U". Das ist übel. Nicht nur für Überlingen.

Zur SZ-Startseite
FILE PHOTO: Letters from a scrabble game are seen in this illustration picture in Ljubljana

Buchstabiertafel
:Nathan, Nordpol, Nürnberg?

Die Buchstabiertafel, die festlegt, wie Buchstaben mündlich beschrieben werden, hat sich im Laufe der Zeit mehrfach verändert. Jetzt arbeitet eine Expertenrunde an einem Vorschlag, der sie grundlegend modernisiert.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: