Sprache:Äääh

"Filler" heißt der Verzögerungslaut im Englischen. Und hat einen schlechten Ruf. Warum nur?

Von Martin Zips

"Filler" heißt der Verzögerungslaut im Englischen. Das klingt wie das Zeug, das man verzweifelt aus der Tube in das viel zu große Loch in der Wand drückt. Oder wie die Musik, die man spielt, wenn nichts mehr auf dem Notenblatt steht.

Jede Sprache hat ihre eigenen Filler. In Norwegen sagt man zum Beispiel "øh", wenn man "äh" sagen will. In Portugal heißt es "é", in Frankreich "euh" und im Englischen "er", "erm", "yer", "ya", "uh", "uhm". Manche Leute - zum Beispiel Boris Becker, Edmund Stoiber, vielleicht auch man selbst - verwenden Filler sehr, sehr häufig. Das ist peinlich, weil man im Gedanken die anderen schon schreien hört: "Jetzt komm' doch endlich mal zur Sache, Mann!" Zumal der Mensch heutzutage eh nur noch von Präsentations-Typen umgeben ist, die reden können wie gedruckt (obwohl sie nichts zu sagen haben). Bei offiziellen Anlässen wirkt da jedes "Äh" wie ein fetter Pickel, den man beim Photoshoppen des Bewerbungsfotos übersehen hat. Jemand, der seine Mitmenschen permanent mit phonetischen Marotten nervt, so die landläufige Meinung, hat höchstwahrscheinlich einen an der Waffel.

Stimmt aber gar nicht, wie jetzt der Sprachforscher Michael Handford von der Universität Cardiff herausgefunden hat. Wer etwa eine Absage mit vielen "Ähs" und "Öhs" garniere, der zeige seinem Gegenüber nur, dass er es sich mit seinem Entschluss nicht leicht gemacht habe, sagte Handford dem Independent. Oftmals sollten diese Laute dem Zuhörer nur eine bessere Orientierung im akustischen Informationswust ermöglichen - Filler sind damit nichts anderes als Leitplanken auf der Straße menschlicher Kommunikation. Vor allem aber, so sieht es der Linguist Josef Fruehwald von der Universität Edinburgh, verschafften sie dem Sprechenden eine Denk-Pause und signalisierten dem Zuhörenden, dass da noch etwas kommt. Der sogenannte "dehnbare Diskurspartikel" ist also weniger ein Makel als ein Zeichen von Empathie und der Sicherstellung einer für den zu formulierenden Gedanken noch ausreichenden Sauerstoffzufuhr. Und damit ist das "Äh" doch deutlich besser als sein Ruf.

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