Süddeutsche Zeitung

Spoiler:Kalt erwischt

Was ich als Nachzügler alles versuchte, um auf keinen Fall zu erfahren, wie es in "Game of Thrones" weitergeht. Und wie ich es beinahe geschafft hätte. Aber nur beinahe.

Von Philipp Saul

Kurz vor Schluss ist es dann doch passiert. Plötzlich sprang sie mir ins Auge: die Erkenntnis, die ich monatelang zu vermeiden gesucht hatte, das Wissen um das Ende. Als die achte und letzte Staffel von "Game of Thrones" im Frühjahr erschien, war das Internet voll von Bildern und Texten zur Serie, meist verbunden mit Spoiler-Warnungen, also Hinweisen, auf keinen Fall weiterzulesen, wenn nicht alles vorab verraten werden soll. Gerade in dieser Serie haben wichtige Charaktere eine hohe Sterblichkeitsrate. Unerwartet werden sie vergiftet, geköpft oder sogar auf der eigenen Hochzeit ermordet.

Seriengucker auf Höhe der Zeit wollten zu Beginn von Staffel acht endlich wissen, wer sich auf den Eisernen Thron schwingt und ob sich die Sieben Königslande gegen die Armee der Toten verteidigen können. Ich hatte gerade erst begonnen, mich in Staffel eins auf Winterfell, der großen Burg im Norden, zu orientieren. Mitreden konnte ich also nicht. Wollte ich aber auch nicht. Monatelang hatte ich keine Artikel zur Serie gelesen und auch keine Trailer für Folgen in ferner Zukunft gesehen. Wenn es doch mal Thema wurde, habe ich immer hastig signalisiert, dass ich nicht auf dem aktuellen Stand war: "Bitte keine Spoiler!"

Glücklicherweise habe ich rücksichtsvolle Menschen in meiner Umgebung. Von ihnen kam immer nur ein wissendes, manchmal mitleidiges Lächeln. Dennoch stets bedroht von unmittelbarer Spoiler-Gefahr bog ich Anfang Oktober auf die Zielgerade ein. In der achten Staffel - und hier ist eine Spoiler- Warnung für Serienanfänger wohl angebracht, wenn es noch solche geben sollte - besiegen die Lebenden unter Führung von Daenerys Targaryen und ihres Geliebten Jon Schnee die Armee der Toten, weil Arya Stark den Nachtkönig mit einem Dolch aus valyrischem Stahl ersticht. Dann zieht Daenerys mit dem Rest ihrer Armee zur Hauptstadt Königsmund, um den Thron von Cersei Lannister zu erobern. Vor den letzten beiden Folgen habe ich mich gemütlich auf mein Bett gelegt, die Beine von mir gestreckt und ohne böse Vorahnung auf dem Smartphone durch meine Facebook-Timeline gescrollt.

Kurz zuvor allerdings hatte der FC Bayern in London mit 7:2 gegen Tottenham Hotspur gewonnen. Nationalspieler Serge Gnabry erzielte gleich vier Tore. Die Online-Redaktion eines Sportmediums bastelte deshalb eine Bildcollage. Zu sehen sind neben Gnabry, dem "König von London", auch der "König der Löwen" und der "König von Mallorca". Doch zu meinem Erschrecken stellte ich fest, dass die Bildbearbeiter auch an den "König der Andalen und der Ersten Menschen" gedacht hatten. Da war sie also, die Antwort auf die große Frage. Brandon Stark wird Herrscher über die Königslande sein. Der junge Mann, der als Kind aus einem Turm gestoßen wurde und seitdem nicht mehr laufen kann. Nur Minuten vor dem Finale bekam ich den größten anzunehmenden Spoiler ab. Und das nur, weil Serge Gnabry so oft getroffen hat. Es hatte mich kalt erwischt. So kalt wie der Blick des Nachtkönigs.

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Quelle:
SZ vom 01.12.2019
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