Süddeutsche Zeitung

Spitzbergen:Zwei Deutsche sterben durch Lawine

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Von Kai Strittmatter, Longyearbyen

Die Touristen, die immer zahlreicher nach Spitzbergen kommen, werden vor allem vor den Eisbären gewarnt, die auf der Inselgruppe leben und die sich in Ausnahmefällen sogar bis in die kleine Hauptstadt Longyearbyen vorwagen. Die Einwohner von Longyearbyen aber mussten in den vergangenen Jahren schmerzlich erfahren, dass in Zeiten steigender Temperaturen Lawinen eine mindestens so tödliche Gefahr darstellen.

Am Donnerstag nun sind zwei deutsche Touristen beim Abgang einer Lawine auf Spitzbergen ums Leben gekommen. Das Unglück geschah während einer Schneemobil-Tour auf dem Fridbjofbreen-Gletscher in der Nähe der russischen Siedlung Barentsburg. Die beiden Verstorbenen waren Teil einer Gruppe von fünf Reisenden und zwei Reiseführern gewesen, die Tour hatte ein russischer Reiseveranstalter organisiert. Der Gouverneur von Svalbard, wie die Inselgruppe auf Norwegisch heißt, hatte am späten Donnerstagnachmittag einen Helikopter mit Suchmannschaft und Spürhund losgeschickt, der Helikopter konnte aber wegen schlechter Wetterbedingungen nicht landen.

"Rasanter Wandel"

Spitzbergen oder Svalbard steht seit nunmehr 100 Jahren unter norwegischer Verwaltung. Der Vertrag von Svalbard gewährt aber allen Unterzeichnernationen das Recht, auf der Inselgruppe natürliche Ressourcen auszubeuten. In Barentsburg unterhielten die Russen schon seit den 1930er-Jahren eine Bergarbeitersiedlung, heute leben dort nur mehr ein paar Hundert Menschen, es ist aber nach Longyearbyen mit seinen knapp 2300 Einwohnern die zweitgrößte Siedlung Svalbards. Der Tourismus auf Svalbard hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt und verdrängt dort den Bergbau als wichtigsten Wirtschaftszweig. 2018 zählte Svalbard 70 000 Touristen, viele kommen auf Kreuzfahrtschiffen.

Bürgermeister Arild Olsen nennt Longyearbyen auch deshalb eine "Boomtown". Gleichzeitig ist Svalbard nicht nur ein Hotspot des Arktis-Tourismus, sondern auch einer des Klimawandels: Die steigenden Temperaturen lassen nicht nur das Eis in den Fjorden vor Longyearbyen schmelzen, sie verändern auch die Wettermuster und sie erhöhen die Lawinengefahr. Im Jahr 2015 ging eine Lawine in Longyearbyen ab, zerstörte Häuser und tötete einen Mann und ein kleines Mädchen. Eine zweite Lawine 2017 zerstörte noch mehr Gebäude.

"Es war reines Glück, dass damals nicht mehr Menschen starben", sagt Kim Holmén, der Direktor des Norwegischen Polarinstituts auf Svalbard, der SZ. "Wir haben hier rasanten Wandel, der Anstieg der Temperaturen zählt zu den höchsten der Erde: Die Winter hier sind heute im Durchschnitt um zehn Grad wärmer als noch vor 30 Jahren." In Longyearbyen siedeln sie nun viele Familien in neue Häuser um, die weiter weg von den steilen Berghängen stehen. Im vergangenen Jahr starben beim Abgang einer Lawine in Hornsund zwei polnische Wissenschaftler.

Das Unglück vom Donnerstag geschah außerdem nur wenige Wochen nachdem die norwegische Regierung Pläne zu einer strengeren Regulierung von Tour-Veranstaltern auf Svalbard vorgestellt hatte. Der Touristenboom, so erklärte das Ministerium für öffentliche Sicherheit im Januar erst, habe dazu geführt, dass viele der neu angestellten Guides nicht ordentlich ausgebildet seien. Bislang gibt es allerdings keine Hinweise darauf, dass der russische Veranstalter der Schneemobil-Tour fahrlässig gehandelt hat.

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