Spielzeug:Kampfmaschinen im Kinderzimmer

Lego hat die Produktreihe "Exoforce" herausgebracht - Eltern und sogar Firmenmitarbeiter sind entsetzt.

Titus Arnu

Alarm, "Sonic Atom" greift an. Der Kampfbomber wird von vier Atomantrieben beschleunigt und ist "perfekt geeignet für unerwartete, wirksame Luftangriffe", heißt es in der Betriebsanleitung.

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(Foto: Foto: dpa)

Am Steuer des fiesen Fluggeräts sitzt ein Zerstörerroboter, der mit Raketenwerfer und "rotierenden Laserwaffen" ballert. Jetzt kann nur noch der "Grand Titan" die Menschheit retten, eine schwer bewaffnete Kampfmaschine mit "elektromagnetischem Impulsgreifer und einer rotierenden Laserkanone".

Hallo? Doch, wir befinden uns tatsächlich im Lego-Universum, dieser als harmlos bekannten Welt der bunten Plastikklötze. "Exoforce" heißt eine neue Produktreihe, die seit einigen Wochen auf dem Markt ist und für Aufregung bei Eltern und Erziehern sorgt. Lego steht eigentlich für Werte wie Phantasie, Lernen und Spaß.

Lego-Kriegsspielzeug

Bei "Exoforce" scheint es sich um das Gegenteil zu handeln - eine Kollektion von Kampfmaschinen, deren Design ebenso vorgefertigt ist wie ihre Rolle im Spiel. Böse Roboter kämpfen gegen gute Menschen, mit "fortschrittlicher Eroberungstechnologie" wie "Präzisionslaser", "Tenatium-Panzer" und "Stealth-Technik".

Solche Begriffe erinnern eher an den Golfkrieg als an traditionelle Lego-Werte. "Der Kampf zwischen Gut und Böse ist Teil des Rollenspiels von Kindern," behauptet jedoch Evelyn Wurster, die bei Lego als "Brand Director" für die Einführung neuer Spielthemen und Lizenzprodukte in Europa zuständig ist. "Aber realistisches Kriegsspielzeug gibt es nicht von Lego und wird es nie geben."

Nicht realistisch? Die "Exoforce"-Welt ist zwar in einem fiktiven Comic-Universum angesiedelt, und die Plastik-Menschlein sehen aus, als seien sie einem japanischen Computerspiel entsprungen. Aber die Terminologie und die Kampftechnik wirken ziemlich irdisch.

Stabilität und Phantasie

Gegen die bösen Maschinenwesen kommt zum Beispiel ein Stealth-Bomber zum Einsatz, "mit seinem Tarnschutz für Sensoren unsichtbar", der Kämpfer verteidigt die Menschheit mit Laserkanone und einem "zweischneidigen Elektroschwert" gegen die Invasion der bösen Roboter. Eine zweischneidige Sache: Wie passt das zum Lego-Geist oder gar zu der von Kofi Annan ins Leben gerufenen Menschenrechts-Initiative "Global Compact", der sich Lego angeschlossen hat?

Ganz zu schweigen von dem Kollateralschaden, der an dem immer noch hervorragenden Marken-Image entstehen könnte. Der weltweite Erfolg des Legosteins beruht ja auf zwei Prinzipien, die jeder Pädagoge gutheißen muss: Stabilität und Phantasie. 1932 wurde die legendäre Spielzeugfirma vom dänischen Tischler Ole Kirk Christiansen gegründet, 1947 stellte er den ersten seiner berühmten Plastiksteine her.

Der Legoklotz war für Generationen von Kindern das Grundelement zur Entwicklung unglaublicher Ideen. Produziert werden jährlich rund 203 Milliarden Bauklötze, statistisch gesehen besitzt damit jeder Erdenbürger 52 Stück. Zuletzt allerdings hatte Lego Verluste gemacht, sich von Teilen des Konzerns getrennt und einen McKinsey-Berater an die Firmenspitze gesetzt.

Lego will cool für Kinder sein

Der neue Chef kündigte an, Lego werde sich wieder auf seine Wurzeln besinnen und strebe zurück zur Einfachheit, den klassischen Klötzen. Auch "Exoforce" sei ein klassisches Spielthema, sagt Evelyn Wurster, der Kampf von Gut gegen Böse sei schließlich keine neue Erfindung. "Die Ritter hatten auch ein Schwert, die Piraten einen Säbel."

Macht "Exoforce" aggressiv? Darüber diskutieren derzeit Lego-Puristen und Manga-Fans in Internet-Foren. Selbst ein Lego-Verkäufer äußert sich skeptisch: "Dass ich in meinem Job plötzlich Waffen zur Lösung gegenseitiger Auseinandersetzungen an die nächste Generation verkaufe, verträgt sich beim besten Willen nicht mit meiner Ideologie."

"Neben den klassischen Produkten wollen wir mit neuen Themen interessant und cool für Kinder sein," meint dagegen Lego-Strategin Evelyn Wurster. Das sei eben der "Zeitgeist im Kinderzimmer", hat Lego bei Befragungen von Kindern herausgefunden. "Exoforce ist voll agro-assi," findet dagegen der neunjährige Linus, Schüler eines Münchner Gymnasiums.

Das soll heißen, dass er "Exoforce" für aggressiven, asozial machenden Schrott hält. Bei manchen seiner Altersgenossen kommen die neuen Produkte aber gut an. Die neuen Kampfroboter schafften es auf Anhieb auf Platz4 von "Euro-Tools", einer von der Gesellschaft für Konsumforschung ermittelten Verkaufsrangliste.

Die "Exoforce"-Serie ist angelehnt an die Manga-Ästhetik, und wie in der japanischen Version des Comics gibt es eine Rahmenhandlung, die mythische Züge trägt. In dem Begleit-Comic können die Kinder nachlesen, was für ein Spiel da gespielt werden soll: "Der entscheidende Kampf Mensch gegen Maschine auf dem Sentai-Berg".

Gedacht ist die neue Produktreihe für sechs- bis zwölfjährige Kinder, die damit "abenteuerliche Rollenspiele" erleben sollen. Zum Beispiel im abenteuerlichen Kampf gegen "Fire Vulture", die fliegende Kampfmaschine der bösen Roboter, die mit Flammenwerfern und "elektronischen Klauen" auf die Menschen losgeht und "die Waffen des Gegners in Stücke reißen" kann.

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