Süddeutsche Zeitung

Spanische Monarchie:Königlich korrupt

Königstochter Cristina ist jetzt Verdächtige in einem Bestechungsprozess und ganz Spanien redet darüber, wie der grassierenden Korruption ein Ende bereitet werden kann. Doch das wird ein schwieriges Unterfangen - in einem Land, in dem der Prunk und Protz der Herrschenden lange beklatscht wurde.

Ein Kommentar von Thomas Urban, Madrid

Einen Tag nach der Bescherung kam der Brief mit der schlechten Nachricht: Die spanischen Kinder werden traditionell am Dreikönigstag beschenkt, die spanische Königstochter Cristina erhielt unmittelbar nach dem Fest die Vorladung als Verdächtige in einem Verfahren um Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Damit hat die Debatte über Korruption in der Elite des Landes einen neuen Höhepunkt erreicht.

Von den Prozessen, die an mehreren Orten geführt werden, geht eine doppelte Botschaft aus. Die spanische Justiz möchte unter Beweis stellen, dass sie politisch unabhängig und unbestechlich ist. Die schlechte Nachricht: Korruption war in der politischen Elite eher Alltag als Ausnahme. Denn nicht nur das Königshaus hat seine Probleme mit Finanzaffären, sondern auch die großen Parteien kämpfen damit. Die konservative Volkspartei unter Ministerpräsident Mariano Rajoy sieht sich einem Verfahren wegen schwarzer Kassen gegenüber; Regionalpolitiker der Sozialisten haben in ihrer Hochburg Andalusien offenbar Gelder in dreistelliger Millionenhöhe veruntreut. Auch bei den katalanischen Separatisten, sogar bei der einst marxistischen Gewerkschaft UGT gab es wohl korrupte Netzwerke.

In Spanien gehörte die epidemisch um sich greifende Korruption zu den Hauptursachen der Wirtschaftskrise. Bekanntlich ist die Baubranche dafür besonders anfällig, die gesamte Volkswirtschaft kam wegen riesiger öffentlicher wie privater Bauprogramme auf Pump aus dem Gleichgewicht. Doch wollte keiner der maßgeblichen Politiker diese Entwicklung stoppen - einerseits, weil der Geldstrom in Partei- oder Privatschatullen versiegt wäre, andererseits, weil es an wirtschaftspolitischer Kompetenz fehlte.

Spaniens Problem mit der Korruption

Spanien hat ein spezifisches Problem, das die Korruption gefördert und die Krise verschärft hat: den Mangel an Transparenz, den Historiker auf die Tradition der Bruderschaften und Geheimgesellschaften zurückführen. So waren bislang sowohl den Medien als auch den normalen Bürgern Informationen über die Vergabe öffentlicher Aufträge verwehrt. Ein elementarer Bereich der Alltagspolitik war somit weitgehend der öffentlichen Kontrolle entzogen. Nicht nur die eigenen Haushaltstitel, sondern auch die Milliarden von der EU für Infrastrukturprojekte wurden im Dunkeln verteilt. Wer die Gelder ausgab, musste auch deren korrekte Verwendung bescheinigen. Brüssel hat bislang keine Lösung für dieses grundlegende Strukturproblem gefunden.

In Spanien förderte die Abschottung der Elite die Selbstbedienungsmentalität. Wie sehr die Grenzen zwischen Dienst am Staat und Missbrauch des Staates verwischt wurden, dokumentierte der damalige konservative Ministerpräsident José María Aznar vor zwölf Jahren, als er den gesamten öffentlichen Apparat für die Hochzeit seiner Tochter einspannte: Niemand fiel ihm in den Arm, als er die große Sause in der Klosterfestung El Escorial, der Begräbnisstätte der Könige, organisieren ließ. Vielmehr kam, angeführt vom Königspaar, fast die gesamte politische und wirtschaftliche Elite des Landes, obendrein die damaligen Regierungschefs Großbritanniens, Portugals und Italiens, Tony Blair, José Manuel Barroso und Silvio Berlusconi.

Die Hochzeit von El Escorial, an der pikanterweise auch einige der Protagonisten der späteren großen Korruptionsaffären teilnahmen, war nicht nur Ausdruck der Hybris, sondern auch des Sündenfalls der politischen Elite. Allerdings war damals auch die Mehrheit der Spanier davon berauscht, Prunk und Protz der Herrschenden wurden beklatscht.

Bauernopfer? Ja. Abrechnung mit Politikern und Bankiers? Eher nein.

In der Krise ist die Gesellschaft indes aufgewacht. Sie fordert nicht nur Transparenz, sondern auch eine neue Bescheidenheit von ihren Politikern. Doch steht zu befürchten, dass die Katharsis ein Wunsch bleibt. Zweifellos wird es weitere Bauernopfer geben, aber kaum eine Abrechnung mit den für die Krise verantwortlichen Spitzenpolitikern und Bankiers. Die Wirtschaftszahlen sprechen dafür, dass Spanien schneller als allgemein befürchtet den Weg aus der Krise finden wird; der Druck auf die Regierenden lässt also nach.

Ebenso wird das Königshaus das Verfahren gegen die Infantin Cristina wohl überstehen, so wie die Liebeseskapaden des inzwischen gesundheitlich schwer angeschlagenen Monarchen Juan Carlos. Denn es steht ein bestens präparierter Nachfolger bereit: Thronfolger Felipe gilt als bescheiden und klug, er steht an der Spitze der Beliebtheitsskala.

Vor allem aber wird die Gesellschaft aus der Krise gestärkt hervorgehen. Umfragen unter Studenten, der künftigen Elite, zeigen, dass sie viel selbständiger, kritischer und weltoffener sind als die vorangegangenen Generationen.

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SZ vom 08.01.2014
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