Spaniens Königin wird 70:Sofías Welt

Nicht nur das Königshaus ist in heller Aufregung: Mit unbedachten Äußerungen versalzt sich Spaniens Königin Sofía ihren runden Geburtstag - und schadet der Monarchie.

Javier Cáceres

"Ein Geburtstag wie jeder andere" sollte der Siebzigste werden, Spaniens Königin Sofía beging ihn am Sonntag im Kreise ihrer Liebsten. Doch schon jetzt darf vermutet werden, dass das Gegenteil der Fall sein wird: An diesen Ehrentag dürfte sich Sofía wohl Zeit ihres Lebens erinnern.

Spaniens Königin wird 70: Huch, wer hat denn dieses Familienfoto am Computer so wüst zusammengestöpselt? Es war Spaniens Königin Sofía höchstpersönlich.

Huch, wer hat denn dieses Familienfoto am Computer so wüst zusammengestöpselt? Es war Spaniens Königin Sofía höchstpersönlich.

(Foto: Foto: dpa)

König Juan Carlos geht, so wollen es Eingeweihte erfahren haben, "schon seit Tagen die Wände hoch" - und kommt gar nicht mehr herunter. Der Grund: Die zum 70. Geburtstag erschienene Biografie aus der Feder der Journalistin Pilar Urbano, in der sich Sofía, Urenkelin des letzten deutschen Kaisers, unverblümt über Dinge des gesellschaftspolitischen Alltags äußert - und dadurch in einer Weise ins Zentrum der öffentlichen Debatte gerückt ist, wie es ihr noch nie wiederfahren ist. Einer Debatte um Sofías Welt.

Dreizehn Jahre ist es her, dass Urbano, 68, die Königin für eine erste Biographie gewinnen konnte. Schon damals hatte Sofía kaum ein Blatt vor den Mund genommen. Dass sie sich damals dagegen verwahrte, den 1975 gestorbenen Diktator Francisco Franco einen Tyrannen zu nennen, weil sie sein Regime als eher weiche denn wirklich harte Diktatur erlebt habe, beschwor freilich keinen Skandal herauf.

Ebenso wenig, dass sie davon berichtete, der König verbitte es sich, dass in seiner Gegenwart schlecht über Franco geredet wird. Nun aber ist es, als habe sie die Büchse der Essenzen geöffnet: Denn Urbano, Numerarierin des umstrittenen katholischen Laienordens Opus Dei vermochte es, die Königin gerade in kirchenrelevanten Fragen auf wertkonservative Urteile festzulegen.

Ein Rüffel für George W. Bush

So ließ die Königin Verachtung für Drag Queens und Homosexuellen-Paraden erkennen - und sprach sich deutlich für Religionsunterricht sowie gegen Abtreibung und Sterbehilfe aus. Auch zu außenpolitischen Themen äußerte sie sich: Für Wladimir Putin zeigte sie Verständnis ("vielleicht braucht Russland viel Autorität"), für George W. Bush hingegen setzte es einen Rüffel: "Der 11. September ist keine Rechtfertigung für das, was danach kam: Afghanistan, Irak. Sie haben eine Hölle ohne Ausweg geschaffen."

Soll sie doch denken und sagen, was sie will!, sagt nun ein Teil der Spanier. Ein anderer freilich wünscht, König Juan Carlos hätte ihr genau das zugerufen, was er vor Jahresfrist dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez an den Kopf warf: "¿Porqué no te callas?" - "Warum hälst du nicht den Mund?" Die Republikaner sind königlich amüsiert: Noch so ein paar Interviews, und die Monarchie in Spanien ist dahin, glauben sie.

Nicht ohne Grund: Das Gebot der Neutralität ist eine der Grundbedingungen für die Tolerierung der seit dem Tode Francos herrschenden Staatsform, die in einem demokratischen Gemeinwesen eine Anomalie darstellt.

Für seine verfassungsmäßig festgeschriebene Unangreifbarkeit als oberster Repräsentant aller Spanier und Symbol der Einheit bezahlt der König mit Nichteinmischung. Und nun trägt ausgerechnet die Gattin zur Erosion dieses gesellschaftlichen Konsenses bei? In Zeiten, da jungen Menschen kaum präsent ist, dass die Monarchie einen Beitrag zum gelungenen Übergang zur Demokratie geleistet hat?

Auf den Punkt brachte die Gemengelage eine Karikatur des Zeichners El Roto in der Zeitung El País. Darin korrespondieren die Gedanken eines Mannes mit denen einer Frau: "Wenn die Könige anfangen, ihre Meinung über unsere Dinge kundzutun...", sinniert er, "...werden wir anfangen, unsere Meinung zu ihren Angelegenheiten zu sagen", sinniert sie.

Ein Symbol wie die Fahne

Themen gäbe es ja. Zum Beispiel die Frage, ob es angemessen ist, dass die sozialistische Regierung in wirtschaftlich harten Zeiten den Unterhalt des Königs um 14,5 Prozent auf 8,5 Millionen Euro aufstockt.

Auch auf politischem Terrain wurde über Sofías Welt gestritten. Die Regierung trat der Königin entschlossen bei, die Spanier seien stolz auf sie, sagte Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero, ein Sozialist. Der Sprecher der konservativen Volkspartei PP, Esteban González Pons, musste sich hingegen von sich selbst distanzieren.

Nachdem er morgens "als Abgeordneter" gesagt hatte, die Könige seien ein Symbol wie die Fahne, "die ja auch nicht spricht", erklärte er abends, als PP-Vertreter habe er keinen Kommentar abzugeben.

Auch vor solchem Hintergrund war das Königshaus bemüht, die Verlautbarungen Sofías wieder einzufangen. Doch das schlug aufgrund eines bizarren Kommuniqués dramatisch fehl: Die Äußerungen, die Urbano der Königin zuschreibe, seien bloß "angeblich" gefallen, "ungenau" wiedergegeben worden und im Zweifel aus einem "privaten Zusammenhang" gerissen, hieß es. Welche Aussage bloß "angeblich", "ungenau" oder "privat" war, blieb offen. Urbano konterte mit einem detaillierten Werkstattbericht.

Sie habe 638 Fragen schriftlich vorgelegt und vom Juli bis September fünfzehn Sitzungen abgehalten. "Im Zarzuela-Palast, also im ersten öffentlichen Haus Spaniens - von wegen privat!", sagte Urbano. Rund ums dritte Oktoberwochenende schickte sie dann das Manuskript, 300 Seiten, per Email ins Königshaus, der Verlag stellte dem Königshaus die Druckfahnen zu.

Ein paar Formulierungen seien entschärft und der Titel geändert worden, mehr nicht. Im Gegenteil: Am 22. Oktober sei die Mitteilung ergangen: "Das Haus Seiner Majestät erklärt, über die Existenz des Buches im Bilde zu sein." Was das heiße, will Urbano gefragt haben: "Grünes Licht." Dementiert wurde diese Darstellung nicht.

Was angesichts des Getöses fast unterging: Dass Sofía in einem anderen Interview gestand, Urheberin des offiziellen Weihnachtsfotos von 2006 zu sein. Das Königshaus war damals wegen der offenkundigen Fotoshop-Pfuscherei das Gespött der Leute. Sie sei "stolz", das wie sie das so hinbekommen habe, sagte Sofía jetzt.

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